Durch die Corona-Pandemie ist es derzeit nicht möglich Sitzungen und Versammlungen im gewohnten Maße abzuhalten. Um die Handlungsfähigkeit von Unternehmen sicherzustellen haben Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat in kürzester Zeit ein Gesetzespaket verabschiedet, das in verschiedenen Bereichen Erleichterungen regelt.
Dazu gehören:
- Beschlüsse von General- bzw. Vertreterversammlungen können schriftlich oder auf elektronischem Wege gefasst werden, auch wenn die Satzung dies nicht vorsieht.
- Gleiches gilt für Vorstands- oder Aufsichtsratssitzungen, die zudem als Telefon- oder Videokonferenz durchgeführt werden können.
- Der Aufsichtsrat kann (anstelle der General- bzw. Vertreterversammlung) den Jahresabschluss feststellen.
- Die Einberufung einer General- bzw. Vertreterversammlung kann im Internet auf der Internetseite der Genossenschaft oder durch unmittelbare Benachrichtigung in Textform erfolgen.
- Die Mindestanzahl der Mitglieder in Vorständen und Aufsichtsräten darf unterschritten werden.
- Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder bleiben auch nach ihrer offiziellen Amtszeit im Amt, bis die Nachfolge bestimmt wird.
- Der Vorstand kann mit Zustimmung des Aufsichtsrats in den Grenzen des § 59 Abs. 2 AktG eine Abschlagszahlung sowohl für ein zu erwartendes Auseinandersetzungsguthaben (bei Austritt eines Mitglieds) als auch für eine zu erwartende Dividende leisten.
Diese Regelungen galten zunächst befristet bis zum 31.12.2020. Über die Details und Hintergründe haben wir in einem Beitrag berichtet. Inzwischen sind die Regelungen bis zum 31.12.2021 verlängert worden. Informationen dazu haben wir in einem aktuellen Beitrag erläutert.
Besonders wichtig und interessant für die Handlungsfähigkeit der Genossenschaften sind die vorübergehenden Möglichkeiten zur schriftlichen oder elektronischen Beschlussfassung der Organe.
Genossenschaften sind aber nicht gezwungen, eine solche „virtuelle“ Versammlung durchzuführen; sie können auch warten, bis die Ausbreitung der Infektionen abgeklungen ist und die Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten aufgehoben wurden. Es muss im Einzelfall abgewogen werden, ob ein Abwarten sinnvoll ist, oder ob von den Erleichterungen Gebrauch gemacht werden soll. Zu den Jahresabschlüssen haben wir einen gesonderten Hinweis verfasst.
Bei der Beschlussfassung gilt es jeweils vier Punkte zu beachten. Den Antrag, die Abstimmung, die Feststellung des Ergebnisses und dessen Verkündung. Auch bei Umlaufbeschlüssen / virtuellen Versammlungen sind diese zu beachten. Bei Präsenzveranstaltungen werden die letzten beiden Punkte unmittelbar nach der Abstimmung vom Versammlungsleiter vorgenommen. Dies kann auch im Rahmen einer virtuellen Versammlung erfolgen. Bei Umlaufbeschlüssen muss dies ebenfalls beachtet werden. Dazu könnte den Mitgliedern der Genossenschaft zum Beispiel das Protokoll im Anschluss an die Auszählung zur Verfügung gestellt werden.
Sollten Sie von den Erleichterungen Gebrauch machen wollen, finden Sie hier einige praktische Hilfestellungen. Bitte beachten Sie auch die besonderen Hinweise für Vertreterversammlungen am Ende.
UMLAUFBESCHLÜSSE
Zunächst gibt es die Möglichkeit, Beschlüsse im Umlaufverfahren durchzuführen. Bei dieser Möglichkeit können die Mitglieder keine Nachfragen stellen, nicht diskutieren. Dies ist aber für viele Beschlüsse durchaus wichtig und daher auch ein elementarer Bestandteil der Mitgliederrechte. Aufgrund der Corona-Pandemie wird nun in dieses Mitgliederrecht eingegriffen, um Beschlüsse auch im reinen Umlaufverfahren zu fassen. Daher kann dieses Ausnahmerecht nur für einzelne Beschlüsse gelten, nicht jedoch für eine gesamte (ordentliche) Generalversammlung. Wenn die Mitglieder ausnahmsweise die gesamte Generalversammlung (inkl. Entlastung der Organe) im Umlaufverfahren vornehmen soll, dann bedarf das unserer Ansicht nach der ausdrücklichen Zustimmung aller Mitglieder.
Um auf Fragen / Argumente der Mitglieder einzugehen, könnten Sie die Mitglieder ggf. auffordern ihre Fragen / Anmerkungen an den Vorstand zu senden. Die gesammelten Antworten / Stellungnahmen / Argumente der Mitglieder könnten dann allen anderen Mitgliedern zur Information und als Entscheidungshilfe zur Verfügung gestellt werden. Dies ist nur eine Anregung, keinesfalls zwingend.
Bei den Umlaufverfahren gibt es im Wesentlichen zwei Möglichkeiten, die wir nachfolgend vorstellen:
Schriftliche Beschlüsse
Für sämtliche Organe ist dieses Verfahren ein relativ unkompliziertes Verfahren, um Beschlüsse zu fassen. Für schriftliche Beschlüsse ist es erforderlich, dass ein Dokument ausgefüllt, unterschrieben und an die Genossenschaft gesendet wird. Die Mitglieder bekommen neben Informationen über den Beschlussgegenstand auch einen Antragstext mit einer Entscheidungsmöglichkeit, die an die Genossenschaft zurückgesendet wird. Zur Identifikation dienen Unterschrift (und ggf. Mitgliedsnummer).
Welche Dauer für die Rücksendung der Entscheidungen durch die Mitglieder vorgesehen werden muss, hängt unseres Erachtens von dem jeweiligen Organ ab. Die Geschäftsordnungen von Vorstand und Aufsichtsrat können hierzu Aussagen treffen, fehlen diese, dann sollten Sie sich an den Einladungsfristen für Sitzungen orientieren. Bei General- bzw. Vertreterversammlung gibt es keine gesetzlich vorgesehenen Fristen für solche Umlaufbeschlüsse. Normalerweise sollten diese Fragen durch eine Satzungsregelung geklärt werden, diese gibt es nun aber nicht. Daher muss dies nun durch das Organ festgelegt werden, welches die Entscheidung über den schriftlichen Beschluss tätigt. Unserer Ansicht nach gelten die Regelungen zur General- bzw. Vertreterversammlung nicht, da es sich nicht um Zusammenkünfte, sondern um einzelne Beschlüsse handelt. Dennoch sollten die gesetzlichen / oder satzungsgemäßen Einladungsfristen berücksichtigt werden, die vom Genossenschaftsgesetz aus Gründen des Mitgliederschutzes geregelt wurden. Eine Einladungsfrist von zwei Wochen (soweit die Satzung keine längere Frist vorsieht) sollte unserer Ansicht nach für die Rücksendungen von Antworten vorgesehen werden.
Schriftliche Beschlüsse sind relativ einfach herbeizuführen, es gibt aber für die Mitglieder keine Möglichkeit des Meinungsaustausches untereinander, daher bieten sie sich in der Regel lediglich für Beschlüsse an, bei denen keine kontroversen Diskussionen erwartet werden.
Ein Muster für einen Beschluss zur Durchführung finden Sie hier.
Beschlüsse auf elektronischem Wege
Auch Beschlüsse auf elektronischem Wege sind einfach zu fassen. Im Gegensatz zum schriftlichen Beschluss sind hier sehr unterschiedliche Formen möglich, also alle Formen, die der Textform entsprechen (eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, die auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben wird). Dazu zählen auch Abstimmungen, die mittels E-Mail durchgeführt werden.
Bei der Frage der Identifikation könnte neben der Angabe der Mitgliedsnummer auch die E-Mail-Adresse dienen, die von dem Mitglied als Kontaktadresse angegeben worden ist. Problematisch wird dies jedoch dann, wenn nicht von allen Mitgliedern eine E-Mailadresse vorhanden ist. Dann könnten Mitglieder ohne E-Mail-Adresse angeschrieben werden und sich schriftlich an der Beschlussfassung beteiligen.
Hinsichtlich der Fristen gilt das gleiche, wie beim schriftlichen Verfahren.
Ein Muster für einen Beschluss zur Durchführung finden Sie hier.
VIRTUELLE VERSAMMLUNGEN
Neben den reinen Beschlüssen im Umlaufverfahren (sei es schriftlich oder elektronisch) gibt es auch die Möglichkeit die Diskussion und Beschlussfassung ohne eine Sitzung / Versammlung mit Anwesenheit durchzuführen:
Telefon- Videokonferenzen für Vorstand und Aufsichtsrat
Diese Form der Durchführung einer Sitzung ist durch das Gesetz ausdrücklich zugelassen worden. Die Einladung zu solchen Konferenzen erfolgt unkompliziert, die Identifikation der Teilnehmer ist mittels Stimme / Telefonnummer / Video relativ unkompliziert möglich, da sich die Organmitglieder untereinander kennen.
Im Rahmen der Diskussion können bei Telefon- und Videokonferenzen die Teilnehmer ihre Entscheidungen mündlich treffen, sie werden vom Versammlungsleiter dokumentiert, im Anschluss können die Abstimmungsergebnisse in einem Ergebnisprotokoll den Organmitgliedern zur Verfügung gestellt werden. Bei Videokonferenzen gibt es darüber hinaus häufig die Möglichkeit Abstimmungen elektronisch mittels Umfragen während der Sitzung durchzuführen.
Unser Mitglied, die Hostsharing eG hat verschiedene Möglichkeiten für Videokonferenzen in ihrem Dienstleistungsangebot. Bei Interesse wenden Sie sich bitte direkt an die Hostsharing eG.
Virtuelle General- bzw. Vertreterversammlungen
Auch bei diesen Versammlungen gibt es die Möglichkeit einer virtuellen Sitzung, die im Gegensatz zur reinen schriftlichen oder elektronischen Beschlussfassung den Vorteil hat, dass die Mitglieder sich austauschen können und somit auch Themen behandelt werden können, die kontrovers sind. Allerdings sieht das Gesetz solche virtuellen Versammlungen nicht ausdrücklich vor, sondern erlaubt „nur“ die schriftliche oder elektronische Beschlussfassung. Die virtuelle Versammlung zur Diskussion wird im Wege der Satzungsfreiheit / Gestaltungsfreiheit geregelt. Entscheidend ist daher, dass die Beschlüsse immer ordnungsgemäß schriftlich / elektronisch gefasst werden.
Das bedeutet, dass es zwar eine Telefonkonferenz zur Diskussion geben kann, die Beschlüsse hier aber nicht durch mündliche Abstimmung gefasst werden können, da dies nicht die Voraussetzungen des Gesetzes erfüllt. Bei einer Telefonkonferenz müsste daher die Beschlussfassung auf einem anderen Wege (z.B. der E-Mail-Abstimmung während der Telefonkonferenz) durchgeführt werden.
Bei einer Videokonferenz gilt dies ähnlich, hier gibt es allerdings häufig die Möglichkeit während einer solchen Konferenz elektronische Abstimmungen über das Videokonferenzsystem durchzuführen. Die Dokumentation der Beschlüsse könnte dann über Auswertungen des Systems / Bildschirmaufnahmen etc. erfolgen. Auch hier besteht die Möglichkeit einer E-Mail-Abstimmung während der Konferenz.
Bei beiden Varianten sind jedoch einige Punkte zu beachten:
- Identifikation der Teilnehmer (Wie können Sie „einigermaßen“ sicherstellen, dass nur Mitglieder teilnehmen?),
- Investierende Mitglieder (Wie stellen Sie sicher, dass diese Mitgliedergruppe entsprechend der Satzung nur eingeschränkt / gar nicht abstimmen kann?),
- Stimmrechtsvollmachten (Wie stellen Sie sicher, dass Mitglieder von anderen Personen vertreten werden können?) und
- Mehrstimmenrechte (Gibt es ggf. Mitglieder mit mehr als einer Stimme – kann das bei der Abstimmung berücksichtigt werden?).
Kennen Sie Ihre Mitglieder gut (kleine Anzahl von Personen, die sich kennen), können Videokonferenzsysteme eine gute Lösung sein. Hat die Genossenschaft dagegen eine größere Anzahl von Mitgliedern, dann kommen solche Systeme schnell an Ihre Grenzen. Zur Identifikation gibt es die Möglichkeit, dass Teilnehmer erst dann zugelassen werden, wenn diese sich legitimiert haben (über die Mitgliedsnummer, oder einen Kode, der per E-Mail individuell zugesendet wird); das führt aber dazu, dass sich der Zeitaufwand beim Zutritt zum virtuellen Versammlungsraum erhöht.
Bevor Sie also eine virtuelle General- bzw. Vertreterversammlung durchführen, sollten Sie sich mit dem zu nutzenden System vertraut machen und sich mit den Kapazitäten beschäftigen. Unser Mitglied Hostsharing eG hat einen Test mit einem System und 45 Teilnehmern durchgeführt , Hinweise und Ergebnisse finden Sie auf deren Internetseite.
Als weitere Alternativen gibt es noch die Möglichkeit, dass sich Mitglieder über einen E-Mail-Verteiler oder einen mitgliederinternen virtuellen Diskussionsraum auf der Internetseite der Genossenschaft (oder einem Dienstleister) über die Beschlüsse austauschen und dann mittels E-Mail oder auf anderem Wege nach einer Diskussionsphase abstimmen.
Die Einladungsfristen für derartige virtuelle Versammlungen entsprechen den üblichen Regeln.
Ausgehend von unserem Muster für Satzungsregelungen für virtuelle Generalversammlungen haben wir ein Muster für einen Beschluss mit verschiedenen Varianten für eine virtuelle General- bzw. Vertreterversammlung entwickelt. Das Muster finden Sie hier.
Hinweise bei Vertreterversammlungen
Bei einer Vertreterversammlung besteht weiterhin die Pflicht alle Mitglieder über die Vertreterversammlungen zu informieren. Nach dem Genossenschaftsgesetz muss die Tagesordnung einer Vertreterversammlung allen Mitgliedern durch Veröffentlichung in den Genossenschaftsblättern oder im Internet unter der Adresse der Genossenschaft oder durch unmittelbare Benachrichtigung in Textform bekannt gemacht werden. Wenn Sie eine virtuelle Vertreterversammlung durchführen gilt das selbstverständlich auch dafür. Sollten Sie nur einen Umlaufbeschluss (schriftlich oder elektronisch) durch die Vertreterversammlung herbeiführen, dann empfehlen wir dringend den Beschlussgegenstand ebenfalls in der üblichen Art und Weise den Mitgliedern der Genossenschaft bekannt zu machen.
Wenn Sie Fragen zu der Nutzung dieser Möglichkeiten haben, sprechen Sie uns bitte an.
Stand: 17.02.2021 17:00 Uhr