Der von den Parteien CDU/CSU und SPD vorgestellte Koalitionsvertrag enthält Vereinbarungen zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für Genossenschaften. Wir freuen uns darüber, dass die Genossenschaften weiterhin auch in der Politik Beachtung finden und – insbesondere im Internationalen Jahr der Genossenschaften – an einer Verbesserung der Rahmenbedingungen gearbeitet wird, auch wenn einiges noch sehr allgemein formuliert ist.
Die Verabredungen der Koalition beinhalten insbesondere folgende Punkte:
Gesellschaft mit gebundenem Vermögen und Reform des Genossenschaftsrechts
Wir modernisieren das Recht der Genossenschaften und wollen eine neue, eigenständige Rechtsform „Gesellschaft mit gebundenem Vermögen“ einführen. Merkmale dieser Rechtsform sind die unabänderliche Vermögensbindung und die Teilhabe nach mitgliedschaftlicher Logik ohne steuerliche Privilegierungen oder Diskriminierungen.
Damit knüpft der Koalitionsvertrag unmittelbar an die Planungen der letzten Koalition an, die das Genossenschaftsgesetz ändern wollten. Die Bundesregierung hatte kurz vor dem Scheitern der Ampel-Koalition den Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform“ auf den Weg gebracht. Dieser Entwurf enthält eine ganze Reihe von sinnvollen Maßnahmen. Wir hoffen, dass die neue Bundesregierung unmittelbar an diesen Entwurf anknüpft, damit die Änderungen zügig in Angriff genommen werden können.
Teil der Überlegungen des Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform war die Beschleunigung der Gründung und Eintragung von Genossenschaften. Zu diesem Punkt enthält der Koalitionsvertrag ebenfalls eine Vereinbarung:
Innovationsschub für die Wirtschaft
Start-ups sind die Hidden Champions und DAX-Konzerne von morgen. Um Bürokratie zu reduzieren, prüfen wir eine Gründerschutzzone und wollen notarielle Vorgänge vereinfachen und digitale Beurkundungsprozesse sowie den automatischen Datenaustausch zwischen Notariat, Finanzamt und Gewerbeamt ermöglichen. Wir schaffen einen vollständigen One-Stop-Shop, der alle Anträge und Behördengänge auf einer Plattform digital bündelt und eine Unternehmensgründung innerhalb von 24 Stunden ermöglicht. Die Mitarbeiterkapitalbeteiligung werden wir durch eine praxisnahe Ausgestaltung von Steuer- und Sozialversicherungsrecht weiter stärken.
Es wäre sehr zu begrüßen, wenn die Genossenschaften, trotz der höheren Komplexität bei der Gründung einer Genossenschaft, auch von diesen Erleichterungen Gebrauch machen könnten. Dies würde für Gründungsinitiativen, aber auch für bestehende Genossenschaften sehr hilfreich sein.
Ebenfalls im Zusammenhang mit den Gründungen von Genossenschaften steht die Frage der Finanzierung von Gründungen. Dazu wurde folgendes vereinbart:
Wir werden im Kapitalmarktrecht einen rechtssicheren und europäisch wettbewerbsfähigen Rahmen für Investitionen von Fonds in Infrastruktur und Erneuerbare Energien schaffen. Dabei sind auch steuerrechtliche Regelungen zielgerichtet anzupassen. Rahmenbedingungen für Start-ups werden wir weiter verbessern. Dafür werden wir insbesondere die Verfügbarkeit von Wagniskapital durch bessere Beteiligungsmöglichkeiten institutioneller Investoren erhöhen.
In der letzten Legislaturperiode wurde das INVEST-Programm bereits für Genossenschaften geöffnet. Wir werden uns dafür einsetzen, dass die ersten Erfahrungen von beteiligten Genossenschaften ausgewertet werden, damit anhand der konkreten Erfahrungen die Programme verbessert, insbesondere zugänglicher für Genossenschaften werden.
Neben den Genossenschaften allgemein sind spezielle Branchen erwähnt. Zunächst zu den Wohnungsgenossenschaften:
Bauen und Wohnen
Wohnen wollen wir für alle Menschen bezahlbar, verfügbar und umweltverträglich gestalten. Alle Wohnformen, ob Eigentum oder Mietwohnung, in der Stadt und im ländlichen Raum sind für uns gleichwertig. Wir kurbeln den Wohnungsbau und die Eigentumsbildung durch eine Investitions-, Steuerentlastungs- und Entbürokratisierungsoffensive an. Zur Stabilisierung des Wohnungsmarktes wird der soziale Wohnungsbau als wesentlicher Bestandteil der Wohnraumversorgung ausgebaut. (…)
Das genossenschaftliche Wohnen wird weiter gefördert, die Wohngemeinnützigkeit wollen wir mit Investitionszuschüssen ergänzen.
Die Wohnungsgenossenschaften, sei es bestehende oder sich gründende Genossenschaften, haben aufgrund der derzeitigen Rahmenbedingungen Probleme neue Projekte in Angriff zu nehmen. Daher ist es erfreulich, dass das genossenschaftliche Wohnen gefördert werden soll, auch wenn diese Forderung noch nicht mit konkreten Maßnahmen hinterlegt ist.
Auch die Ergänzung der Wohngemeinnützigkeit mit Investitionszuschüssen ist zu begrüßen, dies war eine der zentralen Forderungen von einem Zusammenschluss mehrerer Organisationen aus dem Bereich der Wohnungsgenossenschaften.
Wir werden dies weiter beobachten, insbesondere um zu prüfen, ob und unter welchen Bedingungen Wohnungsgenossenschaften davon profitieren können.
Etwas konkreter wird der Koalitionsvertrag an anderen Stellen:
Zur Wohneigentumsbildung für Familien („Starthilfe Wohneigentum“), zur Neubauförderung und zur Sanierung bestehenden Wohnraums werden steuerliche Maßnahmen verbessert, eigenkapitalersetzende Maßnahmen geschaffen und die Übernahme von staatlichen Bürgschaften für Hypotheken geprüft. Die Förderprogramme der KfW werden zu zwei zentralen Programmen zusammengeführt und vereinfacht: ein Programm für den Neubau und eines für die Modernisierung. Dabei setzen wir Anreize für einfaches, klimafreundliches und kostenreduziertes Bauen. Zur Vergabe von Eigen- und Fremdkapital soll im Zusammenspiel von öffentlichen Garantien (zum Beispiel der KfW) und privatem Kapital ein Investitionsfonds für den Wohnungsbau aufgelegt und auch kommunale Wohnungsbaugesellschaften durch eigenkapitalentlastende Maßnahmen unterstützt werden. Wir wollen zudem die günstigen Finanzierungskonditionen des Bundes und die Expertise der Wohnungswirtschaft für schnelles und effizientes Bauen zusammenbringen und werden daher zeitnah durch eine Beteiligung des Bundes, zum Beispiel durch Garantien, die Finanzierungskosten so senken, dass gemeinsam mit der Wohnungswirtschaft in großer Zahl Wohnungen in angespannten Wohnungsmärkten für unter 15 EUR pro Quadratmeter entstehen können.
Die Auflage neuer Programme und die Zusammenlegung und Vereinfachung von KfW-Programmen ist sicherlich sinnvoll und zu begrüßen. Im Sinne der Offenheit für alle Wohnformen werden wir uns dafür einsetzen, dass die Programme nicht nur auf das (private) Wohneigentum zugeschnitten sind, sondern auch von gemeinschaftlichen (genossenschaftlichen) Projekten genutzt werden können.
Das gilt auch für die folgende Vereinbarung aus dem Koalitionsvertrag:
Damit Vermieten wieder attraktiver wird, gilt: Wer günstig vermietet, wird steuerlich belohnt. Eine nationale Mietenberichterstattung wird eingeführt.
Wohnungsgenossenschaften haben nicht nur den Zweck, den Wohnraum günstig an ihre Mitglieder zu vergeben, sie praktizieren dies auch eindrucksvoll. Die Nutzungsentgelte, die die Genossenschaften von ihren Mitgliedern nehmen, liegen in aller Regel unter den durchschnittlichen Mieten in der Region / dem Quartier. Die steuerlichen Vorteile müssten daher so gestaltet werden, dass auch Genossenschaften, die als Vermietungsgenossenschaften ohnehin steuerliche Vorteile haben, daran partizipieren können.
Weitere Erwähnung finden die Energiegenossenschaften:
Energiepolitik
Wir wollen die Energiewende transparent, planbar und pragmatisch zum Erfolg machen. Bei der Energiewende machen wir Wirtschaft und Verbraucher stärker zu Mitgestaltern (unter anderem durch Entbürokratisierung, Mieterstrom, Bürgerenergie und Energy Sharing).
Es ist sehr zu begrüßen, dass die Bürgerenergie und der Mieterstrom weiter gestärkt werden sollen, auch wenn – ähnlich wie bei der Förderung der Wohnungsgenossenschaften – die Vereinbarung im Allgemeinen bleibt.
Es gibt aber auch Potentiale für neue Betätigungsfelder in der Schnittstelle zwischen Wohnungs- und Energiegenossenschaften:
Für die Erreichung der Klimaziele ist der Gebäudesektor zentral. Bezahlbarkeit, Technologieoffenheit, Versorgungssicherheit und Klimaschutz sind unsere Ziele für die Modernisierung der Wärmeversorgung. Wir werden das Heizungsgesetz abschaffen. Das neue GEG machen wir technologieoffener, flexibler und einfacher. Die erreichbare CO2-Vermeidung soll zur zentralen Steuerungsgröße werden. Den Quartiersansatz werden wir stärken. Die Sanierungs- und Heizungsförderung werden wir fortsetzen. (…) Die Verzahnung von GEG und kommunaler Wärmeplanung vereinfachen wir.
Wenn im Quartier gemeinschaftlich nach Lösungen gesucht wird, um eine moderne und klimagerechte Energieversorgung umzusetzen, liegt es auf der Hand, dass Nachbarinnen und Nachbarn kooperieren sollten. Besonders aus Kostengründen sind vor Ort integrierte Konzepte für Strom und Wärme zu entwickeln und umzusetzen – im Sinne von Flexibilität, Sektorkopplung und Effizienz. Genossenschaftliche Modelle zur gemeinsamen Energieversorgung im Quartier stellen dabei nicht nur einen wichtigen Schritt in Richtung einer dezentralen und nachhaltigen Energiezukunft dar, sondern fördern auch das soziale Miteinander. Sie schaffen Identifikation, stärken das Gemeinschaftsgefühl und ermöglichen den Menschen vor Ort, aktiv an der Energiewende teilzunehmen. So wird die Energiewende nicht nur eine technische oder ökologische, sondern auch eine soziale Transformation – im Sinne der EU-Vorgaben für Energy Sharing, bei denen Bürgerinnen und Bürger zu gestaltenden Akteuren werden.
Insgesamt enthält der Koalitionsvertrag viele positive Ansätze, die es nun zu konkretisieren gilt. Der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e.V. wird die Arbeit der neuen Bundesregierung im Sinne unserer Mitglieder aktiv begleiten.