Wohnungsgenossenschaften liegen weiter im Trend. Neben dem Wohnen im privaten Eigentum und dem Wohnen zur Miete ist das genossenschaftliche Wohnen das dritte Standbein auf dem deutschen Wohnungsmarkt. Es steht zwischen den anderen beiden Modellen, da diejenigen, die die genossenschaftliche Wohnung nutzen, gleichzeitig Mitglieder der Genossenschaft sind, der die Wohnung gehört. Neben dem Ziel einer dauerhaften, guten und günstigen Versorgung mit Wohnraum geht es vielen Wohnungsgenossenschaften, gerade den jüngeren, auch um weitere Ziele. Dazu gehören ökologische Standards, die langfristige Sicherung des gemeinschaftlichen Eigentums gegen Spekulation und, meist besonders wichtig, eine besondere Form des Zusammenlebens.
Derzeit ist es wegen der stark gestiegenen Preise allerdings nicht ganz einfach, eine neue Wohnungsgenossenschaft zu gründen. Neben den Preisen für Grundstücke sind auch die Baukosten sehr hoch, das hängt auch mit den stetig wachsenden Vorgaben hinsichtlich des energieeffizienten Bauens zusammen. Dazu kommen Aufwendungen für die Rechtsform an sich, insbesondere für Buchhaltung, Jahresabschlusserstellung und die genossenschaftliche Prüfung. Neue Gruppen suchen daher die Unterstützung durch bestehende Gruppen.
Dazu haben sich in den letzten Jahren „Dachgenossenschaften“ gebildet, die das gemeinschaftliche Wohnen fördern möchten. Dabei gibt es nicht die Dachgenossenschaft, sondern verschiedene Ansätze: einige Dachgenossenschaften bieten Dienstleistungen und Service an, um Gruppen zu unterstützen, andere bieten ein Dach in der Form, dass die neue Gruppe in der Dachgenossenschaft aufgenommen wird, sei es mit einem Generalmietvertrag mit einer eigenen Rechtsform oder als Teil der Dachgenossenschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit.
Die Unterstützung mit Wissen und Dienstleistungen ist schon viel wert, hilft aber bei der Finanzierung nur sehr bedingt. Aus diesem Grunde sind die Dachgenossenschaften besonders hilfreich, weil sie neue Gruppen ganz praktisch unterstützen, indem sie mit ihnen gemeinsam in der Genossenschaft das Projekt umsetzen. Da der Begriff Dachgenossenschaft sehr allgemein verwendet wird, bezeichnen wir das von uns im Folgenden beschriebene Modell als Projektgenossenschaft, da es um ein neues Projekt einer bestehenden Genossenschaft geht, die neue Gruppe also Teil der bestehenden Genossenschaft wird.
Die Zusammenarbeit einer neuen Gruppe mit einer Projektgenossenschaft hat für die Gruppe eine Reihe von Vorteilen. Synergieeffekte bestehen darin, dass über die Projektgenossenschaft Aufgaben gemeinsam erledigt werden, um Kosten einzusparen. Es fallen nur einmal die entsprechenden Rechtsformkosten an. Darüber hinaus können gegenüber den Banken Vorteile entstehen, weil die Projektgenossenschaft in der Vergangenheit gezeigt hat, dass sie die Kredite regelmäßig bedienen kann. Über die Tilgung werden die Beleihungsgrenzen der jeweiligen Gebäude regelmäßig erhöht. Das hat Auswirkungen auf die Bonität der Genossenschaft und kann sich dementsprechend auf die Kreditbedingungen für das neue Projekt günstig auswirken.
Genauso unterschiedlich, wie Wohnungsgenossenschaften an sich ausgestaltet sind, kann auch die Integration der neuen Gruppe und das Zusammenarbeiten innerhalb der Genossenschaft ausgeprägt sein.
Die neuen Mitglieder könnten der Genossenschaft einfach beitreten und die Genossenschaft könnte für diese „einfach“ ein neues Haus bauen. Dann würde nicht die neue Gruppe als solche Teil der Genossenschaft, die nun mehrere Häuser betreut, sondern deren einzelne Mitglieder. Dieses Modell verfolgen die allermeisten traditionellen Wohnungsgenossenschaften, die in ihrem Bestand viele Objekte haben.
Häufig ist es aber so, dass die neue Gruppe den Wunsch nach etwas mehr Selbständigkeit hat, das neue Projekt als „ihr“ Projekt ansieht und so weit wie möglich ein selbstverwaltetes Wohnen in einer Projektgenossenschaft umsetzen will. Die größte Eigenständigkeit könnte in diesem Sinne ermöglicht werden, wenn die neue Gruppe eine eigene Rechtspersönlichkeit bildet, die das von der Projektgenossenschaft gekaufte / gebaute Objekt insgesamt mietet (Generalmietvertrag). In einem solchen Vertrag können dann gut gegenseitige Rechte und Pflichten geregelt werden – die Gruppe ist dann (im Rahmen des Generalmietvertrages) weitestgehend autonom in ihren Entscheidungen.
Eine andere Möglichkeit ist, dass die Mitglieder der neuen Gruppe in die Projektgenossenschaft eintreten, und dabei, ohne dass eine eigene Rechtsform gebildet wird, ein möglichst weitgehendes selbstverwaltetes Wohnen umsetzen. Da es hier keine eigene Rechtspersönlichkeit gibt, mit der ein Generalmietvertrag abgeschlossen werden kann, müssen die Rahmenbedingungen und die Regeln für die Selbstverwaltung in der Satzung der Projektgenossenschaft verankert werden.
Mit diesem Beitrag möchten wir uns vertieft mit dem dritten Ansatz beschäftigen, der Integration einer Gruppe ohne eigene Rechtspersönlichkeit, die ihr Vorhaben möglichst selbstorganisiert und -verwaltet in einer Projektgenossenschaft umsetzen möchte. Dazu bietet das Genossenschaftsgesetz in einem (eher) engen Rahmen durchaus Gestaltungsmöglichkeiten.
Grundaufbau der Genossenschaft
Für die Einordnung der Gestaltungsmöglichkeiten ist es sinnvoll zu verstehen, wie die Genossenschaft an sich arbeitet, um den Rahmen verstehen zu können, in dem ein möglichst selbstverwaltetes Wohnen rechtlich machbar ist.
Die Genossenschaft ist eine juristische Person mit eigenen Rechten und Pflichten. Das bedeutet, dass die Grundstücke und Gebäude der Genossenschaft als solcher gehören. Durch die Mitgliedschaft wird kein Anteil an dem Eigentum der Genossenschaft erworben, insofern sind die Mitglieder, die in Genossenschaftswohnungen wohnen, auch keine Teileigentümer, sondern sie nutzen das Eigentum der Genossenschaft. Den Rahmen für diese Nutzung bilden die (Dauer-)Nutzungsverträge, die die Mitglieder mit der Genossenschaft schließen. Dementsprechend können auch das Grundstück und das Gebäude einer neuen Gruppe nicht das (abgetrennte) Eigentum dieser Gruppe sein, sondern nur das Eigentum der gesamten Genossenschaft.
Die Genossenschaft als juristische Person kann nicht für sich selbst handeln, sondern hat dazu Organe, die für sie agieren. Nach dem Genossenschaftsgesetz sind das drei gesetzlich vorgegebene Organe, die klar umrissene Aufgaben haben:
- Der Vorstand leitet die Genossenschaft,
- der Aufsichtsrat kontrolliert und berät den Vorstand,
- die Generalversammlung hat als oberstes Organ die Hoheit über Jahresabschluss, Satzung und besonders herausragende Entscheidungen.
Dabei gilt für die Aufgabenverteilung Folgendes:
Nach dem Gesetz leitet der Vorstand die Genossenschaft in eigener Verantwortung. Dies bedeutet, dass der Vorstand das Geschäftsführungsorgan der Genossenschaft ist. Die Geschäftsführungsbefugnis des Vorstands ist grundsätzlich umfassend. Sie erstreckt sich auf alles, was zur ordnungsgemäßen Leitung des genossenschaftlichen Betriebes gehört, also alle organisatorischen Maßnahmen und geschäftlichen Handlungen. Der Vorstand ist insbesondere für alle Aufgaben zuständig, die nicht (in zulässiger Form) einem anderen Organ zugewiesen sind. Er hat nicht nur ein Leitungsrecht, sondern auch eine Leitungspflicht. Allerdings muss der Vorstand nicht alle Aufgaben selbst erledigen, er kann bestimmte Aufgaben auch an andere Personen, zum Beispiel (leitende) Angestellte oder Mitglieder übertragen. Die Letzt- und Gesamtverantwortung des Vorstands kann dadurch allerdings nicht eingeschränkt werden.
Schranken für die Leitungsmacht des Vorstands ergeben sich ausschließlich aus der Satzung. Zum einen wird durch die Satzung der Gegenstand der unternehmerischen Tätigkeit beschrieben, den der Vorstand nicht überschreiten darf. Zum anderen kann (!) die Satzung bestimmte Geschäfte / bestimmte Arten von Geschäften zustimmungspflichtig machen. Dabei kann der Kern seiner Tätigkeit (freie Entscheidung über das Tagesgeschäft) dem Vorstand jedoch nicht entzogen werden. Auch kann gegen seinen Willen ein Geschäft nicht durchgesetzt werden.
Der Aufsichtsrat hat die Aufgabe, den Vorstand bei der Leitung der Genossenschaft zu kontrollieren und durch Beratung zu unterstützen. Diese Aufgabe umfasst ebenfalls die gesamte Geschäftstätigkeit der Genossenschaft. Der Aufsichtsrat ist dem Vorstand nicht übergeordnet, er kann ihm daher keine Weisungen erteilen, ein Geschäft zu tätigen, nicht zu tätigen oder in einer bestimmten Art und Weise zu tätigen. Anders verhält es sich dagegen bei den Geschäften, für die der Vorstand nach der Satzung der Zustimmung des Aufsichtsrats bedarf. Grundsätzlich obliegt dem Vorstand hier ein ausschließliches Initiativrecht, aber genauso wie jedes Mitglied auch, kann sich der Aufsichtsrat mit Vorschlägen an den Vorstand wenden – ob dieser diese dann annimmt und umsetzt, entscheidet allerdings dieser.
Die Generalversammlung ist als Versammlung aller Mitglieder das höchste beschlussfassende Organ der Genossenschaft. In dieser wird insbesondere über grundsätzliche Fragen entschieden. Dazu gehören nach dem Gesetz insbesondere die Feststellung des Jahresabschlusses und der Ergebnisverwendung, die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat und die Änderung der Satzung. Darüber hinaus kann die Satzung weitere Kompetenzen regeln. Dies kann zum Beispiel über die Richtlinien zur Vergabe von Wohnraum oder über Grundsätze der Gemeinschaftsarbeit erfolgen. Ebenso kann die Satzung regeln, dass zu bestimmten (sehr wichtigen) Geschäften, wie zum Beispiel der Veräußerung von Grundstücken und Gebäuden, die Generalversammlung zustimmen muss.
Daneben kann die Satzung weitere (freiwillige) Organe einführen. Diese können mit eigenen Rechten und Pflichten ausgestattet werden, jedoch nicht in die gesetzlich vorgesehenen Kompetenzen der gesetzlich vorgesehenen Organe eingreifen. Es handelt sich insofern um unterstützende und / oder beratende Organe, meist in der Form von Beiräten.
Gestaltungsmöglichkeiten
Entsprechend der aufgeführten Kompetenzen und der gesetzlich vorgesehenen Zusammenarbeit der vorgeschriebenen Organe sehen wir in folgenden Bereichen Möglichkeiten, um einzelnen Gruppen eine möglichst weitreichende Selbstverwaltung zu bieten.
- Zusammensetzung der Organe
- Finanzielle Darstellung des Projekts
- Zustimmungspflichtige Geschäfte
- Bildung von Beiräten
- Delegation von Aufgaben
Zusammensetzung der Organe
Die Satzung kann auf die Zusammensetzung der Organe einen gewissen Einfluss nehmen. Nach dem Gesetz werden der Vorstand und der Aufsichtsrat von der Generalversammlung gewählt, wobei die Satzung die Wahl des Vorstands auch an andere Organe (in der Regel den Aufsichtsrat) übertragen kann.
Für die Wahl durch das zuständige Organ können keine verpflichtenden Regelungen aufgestellt werden, da diese freie eigenständige Entscheidungen treffen. Aber es kann durch „Soll-Vorschriften“ Einfluss genommen werden, z.B. in der Form, dass jede Gruppe (Haus-Objekt etc.) im Aufsichtsrat repräsentiert werden soll. Auch besteht die Möglichkeit, dass in der Satzung für Beiräte / klar definierte Gruppen Vorschlagsrechte für die Wahlen eingeräumt werden.
Durch eine Beteiligung aller Gruppen in den Organen kann sichergestellt werden, dass die Belange aller Objekte berücksichtigt werden.
Finanzielle Darstellung des Projekts
Auch hinsichtlich der Finanzen gilt, dass die Genossenschaft einheitlich betrachtet werden muss – sie ist schließlich eine juristische Person, die einen Jahresabschluss aufstellt. Allerdings kann die Buchhaltung so geführt werden, dass die gesamte Genossenschaft nicht einheitlich betrachtet wird, indem eine Kostenstellenrechnung eingeführt wird. Über diese Darstellung wird jedes Projekt einzeln betrachtet (wobei allgemeine Kosten, wie zum Beispiel für die Prüfung und den Jahresabschluss etc., auf alle Projekte verteilt werden). Dies führt jedoch „nur“ dazu, dass die Genossenschaft einen Überblick darüber bekommt, wie sich einzelne Kostenstellen (einzelne Projekte) rechnen. Es entstehen hierdurch noch keine eigenständigen Projekte, sondern diese sind weiterhin Projekte der Genossenschaft.
Ebenso gibt es hinsichtlich der Finanzplanung Gestaltungsmöglichkeiten. Die Genossenschaft kann für einzelne Projekte Budgets aufstellen. Solche Budgets bedeuten jedoch nicht, dass dieses Geld nicht doch für andere Dinge ausgegeben werden kann, da es insoweit nur eine Finanzplanung der Genossenschaft ist.
Selbstverständlich können Kredite (nebst entsprechender Zinslast) einzelnen Projekten (Kostenstellen) zugerechnet werden. Davon zu trennen ist jedoch die Frage, wer über das Geld verfügen darf. Auch wenn es eine Zweckbindung gibt (so wie es zum Beispiel bei den zweckgebundenen Mitgliederdarlehen notwendig ist), bleibt die Verfügungsgewalt beim Vorstand, der die Gesamtverantwortung für die Genossenschaft hat.
Das Eigenkapital der Genossenschaft steht der juristischen Person zwingend insgesamt zu – dieses kann nicht aufgeteilt werden. Die gesamte Genossenschaft haftet mit ihrem (nicht teilbaren) Vermögen für die (nicht teilbaren) Verbindlichkeiten der Genossenschaft.
Die Gewinnbeteiligung der Mitglieder wird (im Falle, dass es einen Jahresüberschuss gibt) nach der Höhe der Geschäftsguthaben berechnet. Das Gesetz erlaubt, dass die Satzung einen anderen Maßstab vorsehen kann. Dabei ist der Gleichbehandlungsgrundsatz zu berücksichtigen. Eine Satzungsregelung, die die Mitglieder in unterschiedlichen Projekten unterschiedlich behandelt, halten wir für nicht möglich.
Zustimmungspflichtige Geschäfte
In der Satzung können die Geschäfte aufgeführt werden, für die der Vorstand die Zustimmung eines anderen Organs benötigt. Dabei ist darauf zu achten, dass dem Vorstand das unentziehbare Recht zusteht, über das „einfache“ Tagesgeschäft selbst zu entscheiden. Ebenso ist darauf zu achten, dass die Geschäfte so konkret in der Satzung beschrieben werden, dass keine Unklarheiten bleiben, die zu vermeidbaren Kompetenzstreitigkeiten führen könnten. Insofern muss darauf geachtet werden, dass folgende Abstufung eingehalten wird:
- einfaches Tagesgeschäft: Vorstand
- über das Tagesgeschäft hinaus mit Bezug zu einem bestimmten Objekt: Zustimmungsvorbehalt möglich, z.B. für den entsprechenden Hausbeirat
- über das Tagesgeschäft hinaus mit Bezug zur gesamten Genossenschaft: Zustimmungsvorbehalt möglich, z.B. für den Aufsichtsrat
- Grundsätzlich wichtige Geschäfte (Entscheidung über neue Projekte, Verkauf von Grundstücken): Zustimmungsvorbehalt möglich, z.B. für die Generalversammlung.
Da das Genossenschaftsgesetz regelt, dass die Leitungsmacht des Vorstands nur durch eine Satzungsregelung eingeschränkt werden kann, ist es erforderlich die Regelungen zur Zusammenarbeit und die Rechte der Hausbeiräte unmittelbar in der Satzung zu regeln. Das führt zwar dazu, dass die Satzung ausführlicher und länger wird, hat aber mehr Rechtsverbindlichkeit, als es Regelwerke haben können, die anders vereinbart und aufgestellt werden. Da Hausbeiräte lediglich interne Organe ohne eigene Rechtspersönlichkeit sind, können diese auch keine Vereinbarungen mit der Genossenschaft (dem Vorstand) schließen.
Bildung von Beiräten
Die Bewohner/innen eines Objektes können, soweit die Satzung dies erlaubt, einen Beirat bilden bzw. wählen, je nachdem, wie die Satzung dies vorsieht. In diesem Beirat kommen alle Mitglieder zusammen, um sich in den Angelegenheiten ihres Objektes auszutauschen. Auch kann die Satzung diesem Beirat bestimmte Rechte geben, die, je nachdem, um welche Angelegenheiten es sich handelt, unterschiedlich ausgeprägt sein können. Dabei wird unterschieden:
- Informationsrecht
- Anhörungsrecht
- Mitbestimmung
Bei der Information geht es darum, dass der Vorstand den Beirat über Angelegenheiten informiert, die für die Bewohnerin/innen des Objektes von Interesse sind. Beim Anhörungsrecht hat der Beirat das Recht angehört zu werden, bevor der Vorstand eine Entscheidung trifft. Das stärkste Recht ist das der Mitbestimmung, hier braucht der Vorstand die Zustimmung des Beirats, bevor eine Entscheidung getroffen wird.
Der Beirat kann sich eine Geschäftsordnung geben, in der das Verfahren der Sitzungen geregelt wird (wer lädt ein, wie häufig finden Sitzungen regelmäßig statt, wer kann eine Einberufung verlangen, wie wird protokolliert, …). Es ist sinnvoll, dass der Beirat eine/n Sprecher/in wählt, die/der als Hauptansprechpartner/in des Vorstands fungiert und die Arbeit des Beirats koordiniert. Der Beirat hat das Recht (welches ohnehin jedes Mitglied hat) sich mit Vorschlägen und Wünschen an den Vorstand zu wenden, der dann im Rahmen seiner Gesamtverantwortung darüber entscheidet.
Gerade bei der Neuvergabe von Wohnraum kann dem Beirat eine wichtige Rolle eingeräumt werden, da das gemeinschaftliche Zusammenleben für die Bewohner des Objekts wichtig ist (je nachdem, wie das Projekt ausgestaltet ist). Andererseits muss der Vorstand im Sinne der Gesamtverantwortung für die Genossenschaft darauf achten, dass möglichst kein Leerstand entsteht. Hier gilt es eine Interessenabwägung vorzunehmen – auch muss der Vorstand das Recht behalten Bewerber/innen abzulehnen (Schufa / Mietnomaden). Für eine Einflussnahme des Beirats muss es eine ausdrückliche Regelung in der Satzung geben, da der Vorstand in seiner Leitungsmacht nur durch eine Satzungsregelung eingeschränkt werden kann.
Die Sprecher/innen aller Beiräte sollten regelmäßig gemeinsam mit dem Vorstand (ggf. zusammen mit dem Aufsichtsrat) zusammenkommen, um über die Planungen der Genossenschaft zu beraten.
Delegation von Aufgaben
Der Vorstand kann, wie beschrieben, (freiwillig) Aufgaben delegieren. Dies bezieht sich nicht nur auf bezahlte Mitarbeiter (Angestellte), sondern auch auf ehrenamtliche Mitarbeiter (z.B. Mitglieder) oder Externe. Ein Beispiel für Externe ist der Abschluss von Verträgen mit Verwaltern, die im Wohnungsbereich für den Eigentümer das Gebäude verwalten (Einzug der Mieten, Abschluss von Mietverträgen, Beauftragung und Überwachung von Instandsetzungsarbeiten etc.). Aber auch hier hat der Eigentümer (bei der Genossenschaft vertreten durch den Vorstand) ein Weisungsrecht und muss zum Beispiel Reparaturen ab einer bestimmten Auftragssumme einzeln freigeben.
Übertragen auf eine Projektgenossenschaft bedeutet das, dass der Vorstand einzelne Aufgaben, die sich im Zusammenhang mit dem Objekt ergeben, an bestimmte Personen delegieren kann. Diese Delegation ist freiwillig. Das bedeutet, dass niemand im Projekt gezwungen werden kann, diese Arbeit ehrenamtlich – z.B. kraft Mitarbeit im Beirat – auszuüben. Andererseits kann der Vorstand nicht gezwungen werden, diese Arbeit auf jemanden zu übertragen, der seiner Ansicht nach dazu nicht in der Lage ist. Aus rechtlicher Sicht wird zwischen dem Vorstand und der betreffenden Person / den betreffenden Personen ein Auftragsverhältnis geschlossen. Teil dieses Auftragsverhältnisses kann (muss aber nicht) eine Vollmacht sein, im Namen der Genossenschaft Verträge (zum Beispiel bis zu einem Betrag von X €) abzuschließen. Das Auftragsverhältnis kann jederzeit von beiden Seiten gekündigt werden, eine Vollmacht kann wieder entzogen werden.
Die Person, die Delegation erhält, kann (aber muss nicht) der/die Sprecher/in des Beirats sein. Der Beirat könnte zum Beispiel das Recht erhalten, dem Vorstand einen Vorschlag zu machen. Wenn der Vorstand Aufgaben delegiert, dann hat er weiterhin die Gesamtverantwortung und muss die Ausführung überwachen. Dazu zählt auch das Erteilen von Arbeitsanweisungen. Diese sollten auch regeln, wie und in welchen Rahmen die Delegationen ausgeübt werden dürfen. Insbesondere bei Entscheidungen, die Auswirkungen auf die Betriebskosten / Nutzungsverträge haben, sollte eine Abstimmung mit dem Vorstand erfolgen. Bei Verstößen muss der Vorstand darauf hinwirken, dass Regeln zukünftig beachtet werden, im schlimmsten Fall muss die Delegation entzogen werden (Vollmacht zur Vertretung nach außen wird dann zurückgezogen).
Zu den Aufgaben, die delegiert werden können, zählen zum Beispiel:
- Reinigung (innen und außen, insbesondere der Gehwege),
- Kleinreparaturen (bis zu einem Betrag von X € je Einzelfall),
- Information an den Vorstand über größere Schäden,
- (Unter-) Vermietung / Verwaltung von Gemeinschaftsräumen (zum Beispiel Gästewohnungen oder Versammlungsräume), wobei der Vorstand hier im Sinne der Gesamtverantwortung Rahmenbedingungen (insb. Mieten) festlegen sollte.
Der Einzug der Miete sollte zentral über die Genossenschaft erfolgen. Gleiches gilt für die Abrechnung der Nebenkosten. Finanzielle Fragen, insbesondere auch Mietrückstände sind sensible Daten. Selbstverständlich müssen diejenigen, die eine Delegation erhalten, sich zur Verschwiegenheit bezüglich personenbezogener Daten verpflichten, es kann aber für betroffene Mitglieder dennoch belastend sein zu wissen, dass ein Mitbewohner Kenntnisse über finanzielle Probleme bekommen kann. Um derartige Spannungen aus dem Projekt herauszuhalten, halten wir eine Trennung hier für angebracht.
Planungs- und Bauphase
Die Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich der Selbstverwaltung gelten auch schon, bevor die Mitglieder in das Objekt einziehen. Dabei gibt es noch einige Besonderheiten zu beachten.
Wenn eine Gruppe eigenständig ein Projekt geplant hat und dann im Laufe der Projektentwicklung auf eine Genossenschaft zukommt, dann müssen die Gruppe und der Vorstand klären, wie und zu welchen Bedingungen die Genossenschaft in ggf. schon geschlossene und laufende Verträge einsteigen kann. Aus finanzieller Sicht kann die Genossenschaft alles übernehmen, was mit dem Projekt zu tun hat, welches nun durchgeführt werden soll. Sollten weitere Kosten entstanden sein, die mit anderen (nicht durchgeführten) Projekten zu tun haben, dann kann die Genossenschaft diese dagegen nicht tragen. Insbesondere, wenn die Gruppe sich schon eigenständig organisiert hat (zum Beispiel indem eine Planungs-GbR gebildet worden ist), muss der Übergang sorgfältig geplant und rechtlich und steuerlich begleitet werden.
Für die weitere Planung ist nach außen und innen der Vorstand verantwortlich, er wird sich aber mit der Gruppe, die das Projekt initiiert hat, abstimmen (müssen). Auch hier kann die Satzung den Vorstand verpflichten, die Mitwirkungsrechte der neuen Gruppe einzuhalten. Dazu kann in der Satzung zum Beispiel vorgesehen werden, dass es Planungsbeiräte gibt, die sich mit der Planung und dem Bau von neuen Objekten beschäftigen. Neben den Gruppen, die von außen kommen, kann das aber auch eine Gruppe von Mitgliedern sein, die aus der Projektgenossenschaft hinaus neue Projekte initiieren möchte.
Wichtig ist, dass diese Beiräte keine eigenständigen Entscheidungen treffen können. Sie können Pläne erstellen und diese den für die Entscheidung zuständigen Organen präsentieren. Wenn die Genossenschaft zustimmt, dann können diese Beiräte in dem beschlossenen Rahmen das Objekt weiterbearbeiten, wobei auch hier die bereits beschrieben Leitungsverantwortung des Vorstands zu beachten ist. Auch hier sind in dem oben beschriebenen Rahmen Delegationen durch den Vorstand möglich.
Innerhalb des beschlossenen Rahmens, also der finanziellen und baurechtlichen Planung, gibt es immer wieder Gestaltungsspielraum, der von der Gruppe, die das Objekt initiiert hat oder es bewohnen möchte, ausgeschöpft werden kann. Solange der beschlossene Rahmen nicht verlassen wird, ist es unproblematisch, wenn die Satzung hier der Gruppe weitgehende Rechte gibt. Der Vorstand muss aber eingreifen können und dürfen, insbesondere wenn er durch die Arbeiten die Interessen der Genossenschaft als Ganzes gefährdet sieht (z.B. weil die Zuschnitte so speziell sind, dass der Vorstand befürchtet, dass diese Wohnung am Markt nur sehr schwer weiter vermietet werden kann).
Sollte es zu besonderen Leistungen einzelner Mitglieder kommen, zum Beispiel in der Form, dass diese durch Eigenarbeit Kosten einsparen oder eine besondere Ausstattung wünschen, die über den eigentlich beschlossenen Rahmen hinausgehen, dann sind darüber individuelle Vereinbarungen im Rahmen des individuellen Dauernutzungsvertrages abzuschließen. Das betrifft insbesondere Einbauten. Um im Falle der Beendigung des Dauernutzungsverhältnisses Streitigkeiten zu vermeiden, müssen diese als Mietereinbauten im Vertrag aufgenommen werden, mit entsprechenden Regeln zum Rückbau oder Entschädigung beim Auszug.
All dies schränkt die Selbstverantwortung der neuen Gruppe sicherlich ein, insbesondere, wenn diese schon länger zusammen agiert, aber durch die Beteiligung an der Projektgenossenschaft verliert die Gruppe einen Teil der Eigenständigkeit, bekommt dafür aber auch durch die Genossenschaft als Ganzes eine Unterstützung, damit das Projekt umgesetzt werden kann.
Fazit
Innerhalb dieses Rahmens kann das jeweilige Projekt „selbstverwaltet“ wohnen. Wichtig ist aber, dass das Projekt immer ein Teil der gesamten Genossenschaft ist und daher die Eigenständigkeit eingeschränkt sein muss. Andere Konstellationen mit weitergehenden Rechten sind nur möglich, wenn das Projekt sich als eine eigenständige Rechtspersönlichkeit organisiert (z.B. Hausverein) und mit diesem ein (General-) Mietvertrag abgeschlossen wird.