Wir möchten über eine wichtige Änderung bei der Aufsichtsratsvergütung informieren. Grundsätzlich ist die Tätigkeit als Aufsichtsrat als Kontrollorgan des Vorstands eine ehrenamtliche Tätigkeit. Von der General- oder Vertreterversammlung kann durch Beschluss oder in der Satzung eine Vergütung festgelegt werden. Die Aufsichtsratsvergütungen bzw. Aufwandsentschädigungen unterliegen einer komplexen steuerlichen Behandlung, die von der Genossenschaft und den Aufsichtsratsmitgliedern zu berücksichtigen sind.
Aufsichtsratsvergütungen zählen regelmäßig zu den Einkünften aus selbstständiger Tätigkeit. Diese Vergütungen unterliegen daher nicht dem Lohnsteuerabzug und werden durch die Veranlagung zur Einkommensteuer erfasst. Die Aufsichtsratsmitglieder müssen daher die Aufsichtsratsvergütung bei ihrer Einkommensteuererklärung berücksichtigen. Je nach Ausgestaltung der Vergütung können sie der Umsatzsteuer unterliegen, wobei je nach Höhe der Vergütungen zudem die Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG zur Anwendung kommen kann.
Das Aufsichtsrats- bzw. Beiratsmitglied galten bis 2021 als Unternehmer, sodass die Vergütungen bzw. die Entschädigungen immer auch der Umsatzsteuer unterlag. Soweit der Aufsichtsrat als Unternehmer tätig wird, aber keine weitere unternehmerische Betätigung ausführt oder nur Leistungen ausführt, die nicht in den Gesamtumsatz einfließen, musste geprüft werden, ob die sog. Kleinunternehmerbesteuerung anzuwenden war.
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat sich mit Urteil vom 27. November 2019 (V R 23/19) zur Unternehmereigenschaft von Aufsichtsratsmitgliedern bei Vereinbarung einer (nicht variablen) Festvergütung geäußert, eine Tätigkeit als Unternehmer verneint und damit in eingeschränktem Umfang auch entgegen seiner bisherigen Rechtsprechung entschieden.
Nun hat das BMF mit Verweis auf das o.g. BFH-Urteil ein Schreiben vom 8. Juli 2021 (Az. III C 2 – S 7104/19/10001:003) veröffentlicht, das die daraufhin geänderte Auffassung enthält:
Die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds, das eine Festvergütung oder bis zu 10 Prozent variable Vergütung erhält, ist kein Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuerrechts (§ 2 UStG) mehr und unterliegt damit grundsätzlich nicht der Umsatzsteuer. Das BMF hat sich hiermit an die Rechtsprechung angeschlossen und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass in Abschnitt 2.2 dementsprechend geändert.
Mit der Änderung des Anwendungserlasses sind Aufsichtsräte bei mangelndem Vergütungsrisiko nicht mehr selbstständig tätig, wenn sie eine Fixvergütung erhalten oder der variable Anteil ihrer Vergütung bis zu 10 Prozent der Gesamtvergütung beträgt. Festvergütungen sind dabei pauschale Aufwandentschädigungen, die für die Dauer der Mitgliedschaft im Aufsichtsrat gezahlt wird. Variable Vergütung sind bspw. Sitzungsgelder, die in Abhängigkeit von der Teilnahme an den Sitzungen gezahlt werden und nach tatsächlichem Aufwand bemessene Aufwandsentschädigungen.
Besteht die Vergütung des Aufsichtsratsmitglieds sowohl aus festen als auch variablen Bestandteilen (also aus einer gemischten Vergütung), ist es grundsätzlich selbständig tätig, wenn die variablen Bestandteile im Kalenderjahr mindestens 10 Prozent der gesamten Vergütung betragen. Kostenerstattungen (zum Beispiel für die Reisen) sind keine Vergütungsbestandteile und demzufolge bei der Ermittlung der 10 Prozent-Grenze nicht zu berücksichtigen. Zur Fixvergütung sind wohl aber die zusätzlichen Vergütungen zu rechnen, die für das Tätigwerden als Vorsitzender und stellvertretender Vorsitzender des Aufsichtsrats oder als Ausschussvorsitzender entrichtet werden.
Damit die richtige steuerliche Behandlung erfolgt, müssen sowohl die Aufsichtsräte wie auch die Genossenschaft prüfen, ob es zu einer unternehmerischen Betätigung (UStG) aus der Aufsichtsratstätigkeit kommt.
Soweit der Aufsichtsrat als Unternehmer tätig wird, aber keine weitere unternehmerische Betätigung ausführt oder nur Leistungen ausführt, die nicht in den Gesamtumsatz einfließen, muss geprüft werden, ob die Kleinunternehmerbesteuerung anzuwenden ist. Soweit im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 22.000 EUR und voraussichtlich im laufenden Kalenderjahr nicht mehr als 50.000 EUR Gesamtumsatz erzielt werden, liegt Kleinunternehmereigenschaft vor.
Wenn es sich dagegen um eine unternehmerische Tätigkeit handelt (mit USt.) muss entweder der Aufsichtsrat eine Rechnung erstellen (mit allen Pflichtangaben einer Rechnung) oder die Genossenschaft rechnet die Vergütung im Rahmen einer „Gutschrift“ gegenüber dem Aufsichtsrat ab. Die Vereinbarung zur Abrechnung über eine Gutschrift muss vor der Abrechnung getroffen sein, kann sich aus Verträgen oder sonstigen Geschäftsunterlagen ergeben. Sie ist an keine besondere Form gebunden und kann auch mündlich getroffen werden, zu empfehlen ist aber die Textform (Mail oder schriftlich). Zudem muss die Gutschrift auch explizit als solche bezeichnet werden. Im Fall der Abrechnung mittels Gutschrift (i. S. d. UStG), hat die Genossenschaft als Leistungsempfänger und als Abrechnender die Steuernummer bzw. die USt-IdNr. des Empfängers der Gutschrift (leistender Unternehmer = Aufsichtsratsmitglied) anzugeben.
Wichtiger Hinweis: Wird der Aufsichtsrat nicht als Unternehmer tätig, die Aufsichtsratsvergütung aber trotzdem mit Umsatzsteuer abgerechnet (durch „Rechnung“ des Aufsichtsrates oder durch „Gutschrift“ durch die Genossenschaft), handelt es sich um einen unberechtigten Steuerausweis, den der Aufsichtsrat schuldet, ohne dass die Körperschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt wäre.
Der Aufsichtsrat als Empfänger der Gutschrift hat darauf zu achten, dass er der Gutschrift zeitnah widerspricht, sofern sie offenkundig fehlerhaft ist – ansonsten droht ihm womöglich eine „Strafsteuer“ nach § 14c UStG wegen eines überhöhten oder ungerechtfertigten Steuerausweises den der Aufsichtsrat schuldet die Umsatzsteuer, ohne dass die Körperschaft zum Vorsteuerabzug berechtigt ist.
Es ergibt sich das folgende jährlich (oder bei Veränderungen) durchzuführende Prüfschema:
Auf Ebene der Genossenschaft sind die Aufsichtsratsvergütungen bzw. Aufwandsentschädigungen steuerliche Betriebsausgaben, die allerdings bei der auszahlenden Körperschaft nur zur Hälfte steuermindernd berücksichtigt werden dürfen (§ 10 Nr. 4 KStG). Dieses (Teil-)Abzugsverbot gilt sowohl bei gesetzlich vorgeschriebenen als auch bei freiwilligen Überwachungsorganen.
Fazit / Empfehlung:
- Die Regelungen des neuen BMF-Schreibens vom 08.07.2021 sind grundsätzlich in allen offenen Fällen anwendbar. Zur Vermeidung von Übergangsschwierigkeiten wird es – auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs – nicht beanstandet, wenn die bisher geltende Regelungen auf Leistungen angewendet werden, die bis einschließlich 31. Dezember 2021 ausgeführt worden sind.
- Eine reine Festvergütung für den Aufsichtsrat ist ab 2022 somit unproblematisch da ohne Umsatzsteuer gerechnet werden muss.
- Wenn die Genossenschaft ihren Aufsichtsräten neben einer Festvergütung auch eine variable Vergütung bezahlt, bedarf es der Klärung (Nachfrage) welchen Unternehmerstatus das Aufsichtsratsmitglied einnimmt.
- Sollte bei der Abrechnung der Vergütung zuzüglich Umsatzsteuer gerechnet werden müssen, ist auch die Abrechnungsmethode zu vereinbaren (Rechnung durch Aufsichtsrat oder Gutschrift durch die Genossenschaft). Die für Rechnungen oder Gutschriften notwendigen Pflichtangaben (§14 UStG) sind zu erfragen und zu berücksichtigen.
Für weitere allgemeine Erläuterungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.