Die Generalversammlung hat gemäß § 48 Abs. 1 S. 3 des Genossenschaftsgesetzes (GenG) in den ersten sechs Monaten des Geschäftsjahres stattzufinden. Um Genossenschaften zu ermöglichen, sich auch während der COVID-19-Pandemie rechtstreu zu verhalten, hat der Gesetzgeber insbesondere in § 3 des Gesetzes über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) verschiedene Erleichterungen geregelt. Die Frist des § 48 Abs. 1 S. 3 GenG ist nach dem Gesetzeswortlaut hiervon aber nicht betroffen, das bedeutet, dass Generalversammlungen auch weiterhin grundsätzlich innerhalb von sechs Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres stattzufinden haben.
Allerdings heißt es in der Gesetzesbegründung dazu
Genossenschaften […] können auch warten, bis die Ausbreitung der Infektion abgeklungen ist und die Beschränkungen der Versammlungsmöglichkeiten aufgehoben wurden.
Der Hintergrund dieser Aussage ist unserer Ansicht nach, dass das Genossenschaftsgesetz keine Sanktionen für eine Fristüberschreitung regelt. Insbesondere regelt § 160 GenG hierfür kein Zwangsgeld. Hieraus sollte aber nicht der Schluss gezogen werden, dass eine Überschreitung der Frist des § 48 Abs. 1 S. 3 GenG für Genossenschaften keine negativen Konsequenzen haben kann.
Die Generalversammlung beschließt gemäß § 48 Abs. 1 S. 2 GenG unter anderem über die Gewinnverwendung bzw. die Verlustdeckung. An dieser Zuständigkeit ändert auch § 3 Abs. 3 GesRuaCOVBekG nichts. Der Beschluss über die Ergebnisverwendung hat nicht nur Auswirkungen auf die (mögliche) Auszahlung von Gewinnen, sondern auch auf die Auszahlung von Auseinandersetzungsguthaben (also die Rückzahlung von gekündigten Geschäftsanteilen / Mitgliedschaften).
Ergibt sich aus dem Jahresabschluss ein Bilanzverlust, so kann wegen der theoretischen Möglichkeit der Verlustteilnahme eine Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben erst erfolgen, wenn die Generalversammlung über die Verlustdeckung beschlossen hat. Erfolgt dies nicht innerhalb der ersten sechs Monate des Geschäftsjahres, so dürfte die Genossenschaft mit der Auszahlung der Auseinandersetzungsguthaben in Verzug geraten (soweit die Satzung keine längere Auszahlungsfrist regelt). Es könnte dann die Möglichkeit bestehen, dass hiervon betroffene (ausgeschiedene) Mitglieder ihre Ansprüche klagweise durchsetzen.
Ergibt sich aus dem Jahresabschluss ein Bilanzgewinn, dann können Vorstand und Aufsichtsrat unter bestimmten Voraussetzungen Abschläge auf Gewinnauszahlungen und Auseinandersetzungsguthaben zahlen. Genaueres dazu haben wir in den Hinweisen zum Jahresabschluss 2019 erläutert. Gleichwohl bleibt es Aufgabe der Generalversammlung eine abschließende Regelung zu treffen.
Sieht die Satzung eine Verzinsung von Anteilen vor, dann sind diese, einen Bilanzgewinn in entsprechender Höhe (nach Berücksichtigung der gesetzlichen Rücklage) vorausgesetzt, nach Feststellung des Jahresabschlusses (ggf. durch den Aufsichtsrat) zur Auszahlung fällig.
Die Durchführung einer Generalversammlung ist daher auch weiterhin erforderlich. Dies ist insbesondere der Fall, weil eine Beschlussfassung über die Gewinnverwendung bzw. die Verlustdeckung zumindest innerhalb des Geschäftsjahres zu erfolgen hat, das auf das Geschäftsjahr erfolgt, auf dessen Jahresabschluss sich der Beschluss bezieht. Entspricht das Geschäftsjahr dem Kalenderjahr, so muss der Beschluss über die Gewinnverwendung bzw. die Verlustdeckung für das Jahr 2019 innerhalb des Jahres 2020 gefasst werden.
Darüber hinaus haben die Mitglieder ein Recht auf unterjährige und zeitnahe Information über die Entwicklung der Genossenschaft. Ebenso ändert sich nichts an der Prüfungspflicht und der Berichterstattungspflicht des Aufsichtsrats hinsichtlich des Jahresabschlusses und über seine Tätigkeit.
Wir empfehlen daher dringend, dieses Jahr noch eine Generalversammlung stattfinden zu lassen. Wenn die aktuellen Corona-Regeln das weiterhin schwierig machen, bzw. nicht erlauben, dann ist der Vorstand verpflichtet, von den zur Verfügung gestellten Erleichterungen (Link) Gebrauch zu machen.
Eine Möglichkeit wäre folgendes Vorgehen:
- der Jahresabschluss wird vom Aufsichtsrat festgestellt,
- der Vorstand erstellt einen schriftlichen Bericht über das Jahr 2019 mit einem Ausblick auf 2020 (ggf. nun sogar schon auf 2021),
- der Aufsichtsrat erstellt einen schriftlichen Bericht über seine Tätigkeit,
- die schriftlichen Berichte (einschließlich des festgestellten Jahresabschlusses, des Vorschlags des Vorstands zur Gewinnverwendung bzw. Verlustdeckung und der Stellungnahme des Aufsichtsrats hierzu) gehen an die Mitglieder, diese bekommen die Möglichkeit Fragen und Änderungsanträge zur vorgeschlagenen Gewinnverwendung bzw. Verlustdeckung zu stellen,
- die Antworten auf die Fragen und ggf. Änderungsanträge gehen an alle Mitglieder,
- der Ergebnisverwendungsbeschluss wird im (schriftlichen) Umlaufverfahren beschlossen.
Sollte in diesem Jahr keine Generalversammlung stattfinden, dann ist unklar, was das für Auswirkungen auf den Ergebnisverwendungsbeschluss hat. Es wird die Ansicht vertreten, dass die Generalversammlung die Möglichkeit einer Entscheidung darüber verliert, es insoweit zu einem automatischen Ergebnisvortrag kommt. Auf jeden Fall ist das der Fall, wenn der Jahresabschluss für 2020 festgestellt wird (zum Beispiel durch den Aufsichtsrat). Lassen Sie sich in diesem Fall bitte unbedingt durch Ihren Steuerberater / den Prüfungsverband beraten oder halten Rücksprache mit uns.