Mit der Zustimmung der Basis der SPD hat nun nach der CDU und der CSU der dritte Partner dem Koalitionsvertrag für die 19. Legislaturperiode zugestimmt. Dieser Vertrag ist für die Zeit bis zur nächsten Bundestagswahl das Arbeitspapier für die (bisher absehbaren) Vorhaben der nächsten Bundesregierung. Wir haben den Vertrag hinsichtlich der für unseren Verband wichtigen Passagen ausgewertet.
Seniorengenossenschaften
Wir wollen Hürden beim Ausbau alternativer Unterstützungs- und Wohnformen – wie z.B. bei der steuerlichen Bewertung von „Wohnen für Hilfe“ – beseitigen und Seniorengenossenschaften stärken.
Wir begrüßen, dass Seniorengenossenschaften gestärkt werden sollen. In solchen Genossenschaften können sich Menschen gegenseitig unterstützen. Wer sich engagiert, kann sich die entsprechende Zeit gutschreiben lassen. Diese kann dann später, wenn selbst einmal Hilfe benötigt wird, in Anspruch genommen werden. Das Land Bayern unterstützt diese Form der Genossenschaften bereits sehr intensiv:
Seniorengenossenschaften in Bayern
Genossenschaften allgemein
Wir wollen Genossenschaften als nachhaltige und krisenfeste Unternehmensform in den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen stärken. Dazu benötigen wir Maßnahmen, die eine starke Mitgliederbeteiligung unterstützen und kleineren Genossenschaften Orientierungshilfen bieten. Für die Vereinbarkeit des Kartellrechts mit dem Genossenschaftswesen, das wir stärken wollen, werden wir die entsprechenden Bedingungen schaffen und dafür Leitlinien für die Vereinbarkeit mit dem deutschen Kartellrecht entwickeln.
Es ist sehr zu begrüßen, dass die Genossenschaften weiter unterstützt werden sollen, auch wenn die Vereinbarung und ihre Zielrichtung noch sehr vage bleibt. Die Formulierung zum Kartellrecht greift eine Forderung aus dem Bereich der ländlichen Genossenschaften, aber auch der gewerblichen Genossenschaften, auf. Hier besteht die Befürchtung, dass große Verbünde von mittelständischen Selbständigen mit dem Kartellrecht Probleme bekommen. Es ist sehr zu begrüßen, dass im Koalitionsvertrag vereinbart worden ist, dieses Spannungsfeld zugunsten der Genossenschaften zu bearbeiten. Hintergrund ist insbesondere das Verfahren des Bundeskartellamtes gegen die Genossenschaft DMK, dazu hat z.B. der Genossenschaftsverband – Verband der Regionen e.V. Stellung bezogen:
Bundeskartellamt: Vertragsfreiheit zwischen Erzeuger und Genossenschaft erhalten!
Finanzmarkt und Digitalisierung
Regional tätige Finanzinstitute wie Sparkassen, Genossenschaftsbanken und Förderbanken sind wichtige Finanzpartner vieler Menschen und Unternehmen in unserem Land. Wir sehen sie als wichtige Säule für die Stabilität im Finanzsystem und kämpfen daher für ihren Erhalt. Wir werden bei der Regulierung danach unterscheiden, ob es sich um Sparkassen, Genossenschaftsbanken, Förderbanken bzw. kleine und mittlere Privatbanken mit risikoarmen Geschäftsmodellen handelt oder um systemrelevante Großbanken.
Hier geht es (insbesondere) um die Frage der EU-Regulierung. Die Genossenschaftsbanken setzen sich sehr dafür ein, dass das bestehende genossenschaftliche Sicherungssystem erhalten bleibt und bei der EU-Regulierung darauf geachtet wird, dass die bürokratischen Aufwendungen für kleinere Banken leistbar bleiben. Entsprechendes hat zum Beispiel der Genossenschaftsverband Bayern gefordert:
EU-Bankenregulierung: Risikoarme Regionalbanken entlasten
Wir wollen die bisherigen Maßnahmen zum finanziellen Verbraucherschutz evaluieren.
In der letzten Legislaturperiode wurde im Zusammenhang mit dem finanziellen Verbraucherschutz z.B. das Kleinanlegerschutzgesetz verabschiedet. Sollte die Evaluierung dieses Gesetzes ergeben, dass Änderungsbedarf besteht, werden wir uns dafür einsetzen, dass diese mit Augenmaß vorgenommen werden.
Energie
Wir werden die bestehende Mieterstromregelung optimieren, indem der Verlust der tradierten gewerbesteuerlichen Behandlung von Wohnungsbaugenossenschaften vermieden wird, um nachhaltige Mieterstrommodelle zu ermöglichen.
Diese Vereinbarung ist aus unserer Sicht unbedingt zu begrüßen. Wohnungsgenossenschaften hatten bislang Probleme, wenn Sie als sog. „Vermietungsgenossenschaften“ an ihre Mitglieder Strom vom Dach verkauft hatten, da diese Einnahmen als „steuerschädliche Umsätze“ gewertet wurden. Eine vernünftige Änderung dieser Regelung könnte zu einer verstärkten Nutzung des Mieterstroms durch Wohnungsgenossenschaften führen. Auf diese Problematik ist das BMWi schon bei der Erarbeitung des Mieterstromgesetzes aufmerksam gemacht worden:
ZdK: Referentenentwurf zum Mieterstrom
Wohnraumoffensive
Wir wollen das Engagement von Genossenschaften (…) für den Neubau und eine sozialverträgliche Sanierung im Sinne einer Gemeinwohlorientierung unterstützen. Wir wollen dazu gezielt langfristige Finanzierungen und Bürgschaften über 20 Jahre durch die KfW zur Verfügung stellen. Mit Beratung, weiteren innovativen Finanzierungsmodellen und einem Austausch guter Beispiele wollen wir auch Neugründungen in diesem Feld unterstützen.
Wir begrüßen, dass Genossenschaften, die neuen Wohnraum schaffen, stärker unterstützt werden sollen. Insbesondere begrüßen wir, dass dabei nicht nur Bestandsunternehmen im Fokus stehen, sondern dass diese Förderung auch für Neugründungen gilt.
Stärkung der Zivilgesellschaft und des Ehrenamts
Um diese Kultur des zivilgesellschaftlichen Engagements und des Ehrenamts zu fördern und zu stärken, wollen wir:
(…)
– das Gemeinnützigkeitsrecht verbessern. Insbesondere streben wir im Hinblick auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Eintragungsfähigkeit von Vereinen mit wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb im Interesse von bürgerschaftlichen Initiativen Verbesserungen im Vereinsrecht an.(…)
– zur besseren Förderung von bürgerschaftlichem und ehrenamtlichem Engagement Ehrenamtliche steuerlich entlasten sowie Hauptamtliche zu ihrer Entlastung vermehrt einsetzen.
Mit dieser Vereinbarung wird angeknüpft an die Entscheidung des Bundesgerichtshof aus dem Mai 2017 und dem Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften, welches der Bundestag im Juni 2017 beschlossen hat. Der BGH hat den Weg frei gemacht für eingetragene Vereine, die mit einer ideellen Zielrichtung einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb betreiben. Ausdrücklich richtet sich die Entscheidung des BGH an gemeinnützige Körperschaften, wer aber die Kriterien der Gemeinnützigkeit einhält, kann auch ohne Anerkennung durch das Finanzamt als e.V. mit einer ideellen Zielrichtung wirtschaftlich tätig sein. Der Bundestag hat dies in dem Gesetzgebungsverfahren ausdrücklich so bestätigt. Es ist zu begrüßen, dass der neue Koalitionsvertrag daran anknüpfen möchte und diese Sichtweise damit weiter bestätigt.
Weitere Informationen zur Entscheidung des BGH und des Bundestages aus 2017 finden Sie hier:
Fazit
Der Koalitionsvertrag für die neue Legislaturperiode enthält aus Sicht der Genossenschaften eine Reihe von positiven Ansätzen. Wir werden die Arbeiten an der Umsetzung der geplanten Vorhaben kritisch begleiten.
Einen kompletten Auszug aus dem Koalitionsvertrag finden Sie hier: