Seit vielen Jahren engagiert sich der Zentralverband deutscher Konsumgenossenschaften e.V. (ZdK) für spürbare Erleichterungen bei Kleinstgenossenschaften. Diese Erleichterung könnte dadurch geschaffen werden, dass Kleinstunternehmungen von Prüfungspflichten ausgenommen werden. Für das gemeinscahftliche Wirtschaften gibt es dabei durchaus unterschiedliche Lösungsmöglichkeiten. Der ZdK hat schon 2010 eine Regelung im Vereinsrecht angeregt. Das BMJ hat 2013 einen Vorschlag im Genossenschaftsrecht erarbeitet. Mit diesem Beitrag möchte der ZdK die aktuelle politische Entwicklung aufgreifen und (erneut) einen Vorschlag für eine geeignete Unternehmensform für das wirtschaftliche bürgerschaftliche Engagement im Vereinsrecht machen.
1. Einleitung
Die vom BMWi in Auftrag gegebene Studie und die Konferenz der Justizministerinnen und Justizminister der Länder sehen einen Bedarf für eine geeignete Unternehmensform für das wirtschaftliche bürgerschaftliche Engagement. Die Regierungskoalition hat sich bereits 2013 darauf geeinigt, eine solche Form zur Verfügung zu stellen. Offen geblieben war allerdings, ob dieses im Genossenschafts- oder Vereinsrecht umgesetzt werden soll. Nachdem das Bündnis für eine Rechtsform für das bürgerschaftliche Engagement sich in einem offenen Brief an den Bundesjustizminister Heiko Maas gewendet hat, mit der Forderung das Gesetzgebungsverfahren für eine geeignete Unternehmensform in Gang zu setzen, hat sich die Bundestagsfraktion der CDU / CSU in einer Presseerklärung deutlich gegen eine Regelung im Genossenschaftsrecht ausgesprochen. Für möglich gehalten wird dagegen eine Lösung im (u.a.) Vereinsrecht. Auch der Baden-Württembergische Genossenschaftsverband spricht sich inzwischen für eine Lösung im Vereinsrecht aus.
Grundsätzlich sind wir weiterhin der Ansicht, dass eine Regelung im Genossenschaftsrecht nach dem Vorbild der kleinen GmbH im GmbH-Recht die beste Lösung wäre, wir akzeptieren aber die Entscheidung der CDU-CSU Bundestagsfraktion und schlagen eine Lösung im Vereinsrecht vor.
Die eingetragene Genossenschaft, der eingetragene Verein und der wirtschaftliche Verein weisen von ihren Strukturen viele Ähnlichkeiten auf, sie unterscheiden sich aber von der Zwecksetzung:
- der eingetragene Verein ist nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet
(§ 21 BGB), - der wirtschaftliche Verein ist auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet
(§ 22 BGB) und - die eingetragene Genossenschaft ist auf die Förderung der Mitglieder durch einen gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb ausgerichtet (§ 1 GenG).
Es gibt nun eine Reihe von Schnittmengen:
- In dem Bereich, in dem sich e.V. und w.V. überschneiden, liegt das von der Rechtsprechung anerkannte Nebenzweckprivileg, also der Bereich, in dem der e.V. auch wirtschaftlich tätig ist, dies aber nur der ideellen Zielsetzung untergeordnet ist.
- Die gemeinsame Schnittmenge zwischen e.V., w.V. und eG betrifft gemeinnützige Körperschaften, die zum Beispiel auch als eingetragene Genossenschaften geführt werden.
- Die gemeinsame Schnittmenge zwischen w.V. und eG betrifft diejenigen wirtschaftlichen Betätigungen, die „förderwirtschaftlich“ ausgerichtet sind, die also mit der Zielrichtung der Förderung der Mitglieder erbracht werden. Dies kann (muss aber nicht zwingend) in der Rechtsform der eingetragenen Genossenschaft erfolgen.
Da diese drei Rechtsformen schon Schnittmengen aufweisen, ist es naheliegend für das wirtschaftliche bürgerschaftliche Engagement hier eine Regelung zu schaffen. Dabei stellen sich im Wesentlichen drei Fragen:
- Wo soll diese Unternehmensform geregelt werden?
- In welchem Rahmen soll sich diese Unternehmensform bewegen?
- Wie soll der Gläubiger- und Anlegerschutz erfolgen?
2. Wo soll diese Unternehmensform geregelt werden?
Die von der CDU/CSU-Fraktion ins Feld geführte Lösung über die Mini-GmbH (Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt)) ist für die meisten Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement nicht geeignet, da die UG (haftungsbeschränkt) maximal drei Gesellschafter haben kann und Bürgerinitiativen meist sehr viele Mitglieder haben. Auch andere Lösungen, wie die UG (haftungsbeschränkt) und „Still“ oder die UG (haftungsbeschränkt) & Co. KG sind nicht immer geeignet, weil es sich hier nur um Beteiligungs- und Finanzierungsmodelle ohne eine echte Mitbestimmung handelt.
Der eingetragene Verein nach § 21 BGB ist für wirtschaftliche Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement nur dann geeignet, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einem ideellen Ziel untergeordnet ist und er im Rahmen des Nebenzweckprivilegs durchgeführt werden kann. Bislang waren die Registergerichte hier recht großzügig. Dieses hat sich in der letzten Zeit jedoch geändert. Aus dem Vereinsrecht kommt daher (zu Recht) die Forderung, dass hier mit einer Konkretisierung des Nebenzweckprivilegs Rechtssicherheit geschaffen wird. Dies könnte dadurch geschehen, dass bei gemeinnützigen Vereinen der Zweckbetrieb als unschädliche wirtschaftliche Betätigung eingestuft wird. Das wird aber Initiativen, die den Betrieb eines Ladens (Dorfladen / Weltladen) zum Ziel haben oder kleinen Dienstleistungsgenossenschaften, nicht helfen, weil hier der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb im Vordergrund steht und nicht nur Nebenzweck ist.
Eine Alternative ist der wirtschaftliche Verein nach § 22 BGB. Dies haben wir bereits in Betracht gezogen, allerdings wurde eine entsprechende Petition, die sich für die Öffnung / Regelung des wirtschaftlichen Vereins eingesetzt hat, vom Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages abgelehnt. Die Hauptbegründung war, dass der wirtschaftliche Verein eine subsidiäre Rechtsform ist und die Subsidiarität im BGB nicht geregelt werden kann. In einigen Bereichen ist die Zulassung von wirtschaftlichen Vereinen allerdings durchaus möglich. So werden Erzeugergemeinschaften im Agrarsektor und Forstgemeinschaften ohne weiteres anerkannt. Das liegt daran, dass die Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins in den jeweiligen Spezialgesetzen ausdrücklich als zulässig anerkannt worden ist. In anderen Bereichen muss die jeweils zuständige Behörde davon überzeugt werden, dass andere Rechtsformen im Einzelfall nicht zumutbar sind. In einigen Bundesländern ist das einfacher möglich, in anderen Bundesländern ist nahezu unmöglich; hier ist eine bundeseinheitliche Regelung unseres Erachtens erforderlich. Wenn die Subsidiarität im BGB selbst nicht geregelt werden kann, dann müsste durch ein Spezialgesetz für Dorfläden, Weltläden, solidarische Landwirtschaft etc. die Rechtsform zugelassen werden. Das BMJV findet eine solche Lösung allerdings nicht glücklich, da es schwierig ist, für jeden Bereich, in dem ein wirtschaftliches bürgerschaftliches Engagement möglich ist, ein eigenes Spezialgesetz zu erlassen.
Wenn nicht ein eigenständiges Spezialgesetz erlassen werden soll, und wenn die Regelung im BGB selbst nicht möglich ist, dann bliebe als weitere Möglichkeit noch die Regelung im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuche (EGBGB). Im 7. Teil des EGBGB sind Vorschriften zur Durchführung des Bürgerlichen Gesetzbuchs enthalten. Hier könnten gut Regelungen über die Zulässigkeit des wirtschaftlichen Vereins geregelt werden.
Dort könnte geregelt werden, dass das „wirtschaftliche bürgerschaftliche Engagement“ insbesondere getätigt werden kann in:
- handelsrechtlichen Unternehmensformen,
- einem eingetragenen Verein, soweit dies im Rahmen des § 21 BGB zulässig ist, oder
- einem wirtschaftlichen Verein.
Damit wäre, ähnlich, wie im Bundeswaldgesetz und dem Agrarmarktstrukturgesetz, der wirtschaftliche Verein für zulässig erklärt.
Zu klären wären dann die Definition und die zulässigen Geschäftsfelder. Die Definition sollte sich nicht an den klassischen Definitionen des bürgerschaftlichen Engagements orientieren, da diese Unentgeltlichkeit voraussetzen. Geeignet ist es, hier auf das „Bürgerschaftliche“ abzustellen, also darauf, dass die Gesellschafter tatsächlich aus dem Umkreis der zu schaffenden Einrichtung stammen. Es soll bei solchen Modellen darum gehen, dass die Bürgerinnen und Bürger vor Ort sich engagieren.
Bei den Geschäftsfeldern sollte keine genaue Beschreibung von konkreten Bereichen erfolgen, son-dern allgemein auf die lokale Daseinsvorsorge im weiteren Sinne abgestellt werden. Das können dann Dorfläden, Weltläden, Food-Coops und aber auch Dienstleistungseinrichtungen, Initiativen der solidarischen Landwirtschaft, Kultureinrichtungen oder solche des Personennahverkehrs sein.
3. In welchem Rahmen soll sich diese Unternehmensform bewegen?
Bei einer Regelung als wirtschaftlicher Verein kann vollumfänglich auf das Vereinsrecht Bezug genommen werden. Es müssten keine weiteren Regelungen geschaffen werden. Für den wirtschaftlichen Verein gelten alle Regelungen des Vereinsrechts, mit Ausnahme der Sondervorschriften für ein-getragene Vereine. Das bedeutet, dass auch das Haftungsprivileg für ehrenamtliche Vorstände nach § 31 a BGB für diese Vereine gelten würde. Weitere gesellschaftsrechtliche Vorschriften müssen nicht geschaffen werden.
Die wirtschaftlichen Vereine würden dann dauerhaft als solche geführt werden, außer sie wandeln sich über einen Umwandlungsbeschluss nach dem Umwandlungsgesetz in eine andere Rechtsform (z.B. die eingetragene Genossenschaft) um. Ein Zwang zur Umwandlung in eine andere Rechtsform bei Überschreiten von bestimmten Kennzahlen wäre grundsätzlich möglich, allerdings wären hier viele Detailfragen zu klären, z.B.:
- In welche Rechtsform sollte „umgewandelt“ werden? In die eingetragene Genossenschaft geht das nur, wenn der wirtschaftliche Verein seinen Zweck auf die Förderung der Mitglieder ausgerichtet hat (Förderzweck), das wird meistens, aber nicht immer der Fall sein.
- Wer kontrolliert die Umwandlung?
- Was sind die Konsequenzen, wenn die Umwandlung nicht erfolgt?
Für bestehende Vereine, die wegen einer Überschreitung des Nebenzweckprivilegs nicht mehr als eingetragene Vereine tätig sein dürfen, müsste eine unkomplizierte Regelung geschaffen werden, damit sich diese in einen wirtschaftlichen Verein „umwandeln“ können. Diese Initiativen könnten dann das „vertraute“ Vereinsrecht weiter nutzen, nur eben als wirtschaftlicher Verein.
4. Wie soll der Gläubiger- und Anlegerschutz erfolgen?
Da der wirtschaftliche Verein als Rechtsform bereits etabliert ist und praktiziert wird, bedarf es, anders als bei der Einführung einer neuen Rechtsform, grundsätzlich keiner erneuten Berücksichtigung der Belange des Gläubiger- und Anlegerschutzes durch den Gesetzgeber. Die geltende Rechtslage wird diesen Belangen im Wesentlichen bereits gerecht.
Die Firmierung (wirtschaftlicher Verein / w.V.) reicht als Hinweis aus, dass hier in der Regel kein Eigenkapital vorhanden ist und keine besonderen Prüfungen erfolgen.
Der „Anlegerschutz“ erfolgt über die Regelungen im Vermögensanlagengesetz (VermAnlG). Der Verein kann bis zu 100.000,00 € / Jahr ohne einen Verkaufsprospekt zum Beispiel als Nachrangdarlehen bei den Mitgliedern einwerben. Bei höheren Beträgen kann die Ausnahmeregelung für soziale Unter-nehmen (§ 2b VermAnlG) in Anspruch genommen werden. Dann wären u.a. die Summe des einzusammelnden Kapitals begrenzt, die Gewinnausschüttungen beschränkt und das Unternehmen müsste ein Vermögensanlagen-Informationsblatt erstellen. Dieses ist aber auch sachgerecht.
Bei der Ausgestaltung der Rechnungslegung und Prüfung könnte sich die Vorschrift an bestehenden Regelungen orientieren, zum Beispiel an den „Richtlinien für die Verleihung der Rechtsfähigkeit in der Rechtsform des wirtschaftlichen Vereins nach § 22 BGB an Erzeugergemeinschaften und Vereinigungen von Erzeugergemeinschaften im Sinn des Marktstrukturgesetzes und an Forstbetriebsgemeinschaften und Forstwirtschaftliche Vereinigungen im Sinn des Bundeswaldgesetzes (Verleihungsrichtlinien – VerleihR)“ des Freistaats Bayern.
Würde diese Richtlinie als Muster angewendet, so könnte eine abgestufte Prüfungspflicht wie folgt geregelt werden:
- Kleinstvereine, die nach § 141 Abgabenordnung nicht buchführungspflichtig sind, müssen lediglich eine Einnahmen-Überschuss-Rechnung vorlegen, weitere Prüfungen sind nicht erforderlich.
- Kleine Vereine, die zwar buchführungspflichtig sind, aber noch als kleine Vereine im Sinne des Handelsrechts gelten (§ 267 Abs. 1 HGB), müssen einen Jahresabschluss durch einen Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer aufstellen lassen. Ggf. könnte entsprechend der bayerischen Regelung eine Plausibilitätsprüfung und eine einfache Beurteilung der wirtschaftlichen Verhältnisse verlangt werden.
- Mittelgroße Vereine im Sinne des Handelsrechts (§ 267 Abs. 2 HGB) müssen zudem den Jahresabschluss und den Lagebericht von einem Abschlussprüfer prüfen lassen.
Wirtschaftliche Vereine sind bislang nicht im Handels-, Genossenschafts- oder Vereinsregister aufgeführt. Aus Gründen der Transparenz sollte geregelt werden, dass diese wirtschaftlichen Vereine in einem amtlichen Register aufgefunden werden können. Dazu wäre aber eine Änderung zum Beispiel von § 55 BGB erforderlich, die auch Auswirkungen auf bereits bestehende wirtschaftliche Vereine hätte. Alternativ dazu könnte es nach dem Vorbild des Agrarorganisationenregisters nach § 6 Agrarmarktstrukturgesetz ein Register der Unternehmen des wirtschaftlichen bürgerschaftlichen Engagements geben.
5. Fazit:
- Eine Lösung im Genossenschaftsrecht erscheint aufgrund der deutlichen Positionierung der CDU-CSU Bundestagsfraktion derzeit nicht durchsetzbar.
- Über eine Regelung im EGBGB könnte der wirtschaftliche Verein für unternehmerische Initiativen aus bürgerschaftlichen Engagement für zulässig erklärt werden.
- Die Regelung im EGBGB könnte recht kurz ausfallen, weil die wesentlichen Fragen im Vereinsrecht geregelt sind.
- Hinsichtlich der Auflagen für Rechnungslegung und Prüfung könnte sich die Regelung im EG-BGB an bestehenden Regelungen für wirtschaftliche Vereine in anderen Branchen orientieren (z.B. die Erzeugergemeinschaften im Land Bayern).
- Das Umwandlungsrecht bietet Lösungen an für den Fall, dass die wirtschaftlichen Vereine die Rechtsform ändern möchten, auch hier wären keine zusätzlichen Vorschriften erforderlich.
- Für eingetragene Vereine sollte eine Klarstellung zu den Grenzen des „Nebenzweckprivilegs“ im BGB erfolgen, z.B. dadurch, dass der Zweckbetrieb bei gemeinnützigen Vereinen keine Überschreitung darstellt.
- Wenn bei eingetragenen Vereinen das „Nebenzweckprivileg“ dagegen überschritten wird, sollten denjenigen, die „aus bürgerschaftlichen Engagement“ betrieben werden, ein Wechsel in den wirtschaftlichen Verein ermöglicht werden.
Fotos: V.o.n.u.: Markuks Jürgens / pixelio.de; eigene Darstellung