Mit diesem Beitrag möchten wir auf zwei inhaltlich zusammenhängende Gesetzgebungs-Novellen hinweisen, die jene Genossenschaften betreffen könnten, die Handel, insbesondere Internet-Handel betreiben. Diese sind das Verbraucherstreitbeilegungsgesetz und die sogenannte ODR-Verordnung, aus denen sich für die Adressaten jeweils neue Pflichten ergeben.
Verbraucherstreitbeilegungsgesetz
Voraussichtlich am 1. April 2016 tritt das Gesetz über die alternative Streitbeilegung in Verbrauchersachen, kurz: Verbraucherstreitbeilegungsgesetz (VSBG), in Kraft, das die Einrichtung von Verbraucherschlichtungsstellen und die vor diesen stattfindenden Streitbeilegungsverfahren regelt. Die §§ 36, 37 VSBG regeln diesbezügliche neue Informationspflichten für Unternehmer, die – anders als das Gesetz im Übrigen – voraussichtlich erst ab dem 1. Februar 2017 gelten. Die relevanten Regelungen im Einzelnen:
§ 36 Abs. 1 VSBG stellt die Voraussetzungen für das Entstehen sowie die daraus folgende inhaltliche Ausgestaltung der Informationspflichten auf:
Ein Unternehmer, der eine Webseite unterhält oder Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet, hat den Verbraucher leicht zugänglich, klar und verständlich
1. in Kenntnis zu setzen davon, inwieweit er bereit ist oder verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, und
2. auf die zuständige Verbraucherschlichtungsstelle hinzuweisen, wenn sich der Unternehmer zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle verpflichtet hat oder wenn er auf Grund von Rechtsvorschriften zur Teilnahme verpflichtet ist; der Hinweis muss Angaben zu Anschrift und Webseite der Verbraucherschlichtungsstelle sowie eine Erklärung des Unternehmers, an einem Streitbeilegungsverfahren vor dieser Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen, enthalten.
Eine Verpflichtung zur Teilnahme an Streitbeilegungsverfahren kann sich u.a. vertragsrechtlich aus Mediations- oder Schlichtungsabreden, satzungsrechtlich aus Verbandszugehörigkeit (die Mitgliedschaft im ZdK führt derzeit nicht zu einer entsprechenden Pflicht) oder gesetzlich z.B. aus § 111b Abs. 1 S. 2 EnWG ergeben. Doch auch ohne Teilnahmepflicht trifft den Unternehmer eine „negative“ Hinweispflicht, nämlich die, darauf hinzuweisen, dass er nicht bereit und verpflichtet ist, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.
§ 36 Abs. 2 VSBG gestaltet sodann die formalen Anforderungen an die anzubringenden Hinweise näher aus:
Die Informationen müssen
1. auf der Webseite des Unternehmers erscheinen, wenn der Unternehmer eine Webseite unterhält,
2. zusammen mit seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen gegeben werden, wenn der Unternehmer Allgemeine Geschäftsbedingungen verwendet.
Von der Informationspflicht nach Absatz 1 Nummer 1 ausgenommen ist ein Unternehmer, der am 31. Dezember des vorangegangenen Jahres zehn oder weniger Personen beschäftigt hat. Zu beachten ist hierbei, dass der Umfang der einzelnen Beschäftigungsverhältnisse nicht von Belang ist. Ein Unternehmen mit elf Teilzeitbeschäftigten unterliegt der Informationspflicht, eines mit zehn Vollzeitbeschäftigten nicht.
Nach Entstehen einer Streitigkeit zwischen Verbraucher und Unternehmer kommt § 37 VSBG zur Anwendung:
Der Unternehmer hat den Verbraucher in Textform auf eine für ihn zuständige Verbraucherschlichtungsstelle unter Angabe von deren Anschrift und Webseite hinzuweisen, wenn die Streitigkeit über einen Verbrauchervertrag durch den Unternehmer und den Verbraucher nicht beigelegt werden konnte. Der Unternehmer gibt zugleich an, ob er zur Teilnahme an einem Streitbeilegungsverfahren bei dieser Verbraucherschlichtungsstelle bereit ist oder verpflichtet ist. Ist der Unternehmer zur Teilnahme am Streitbeilegungsverfahren einer oder mehrerer Verbraucherschlichtungsstellen bereit oder verpflichtet, so hat er diese Stelle oder diese Stellen anzugeben.
Anders als in § 36 VSBG trifft die Informationspflicht hier alle Unternehmer, auch jene, die weder eine Webseite unterhalten noch Allgemeine Geschäftsbedingungen verwenden. Dafür wird sie erst begründet, wenn eine Streitigkeit aus einem Verbrauchervertrag entstanden ist und zwischen den Parteien nicht beigelegt werden konnte.
ODR-Verordnung
Bereits seit dem 09.01.2016 gilt in Deutschland die „Verordnung (EU) Nr. 524/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2013 über die Online-Beilegung verbraucherrechtlicher Streitigkeiten und zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 2006/2004 und der Richtlinie 2009/22/EG (Verordnung über Online-Streitbeilegung in Verbraucherangelegenheiten)“, kurz „EU-Verordnung Nr. 524/2013“ oder „ODR-Verordnung“, wobei „ODR“ für „Online Dispute Resolution“ steht.
Die Verordnung stellt in den EU-Mitgliedstaaten unmittelbar anwendbares Recht dar, muss also nicht durch nationale Gesetze umgesetzt werden. Sie soll eine unabhängige, unparteiische, transparente, effektive, schnelle und faire außergerichtliche Online-Beilegung von Streitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmern ermöglichen. Primäres Instrument zur Erreichung dieses Zwecks ist die Einrichtung einer Europäischen Online-Streitbeilegungs-Plattform, kurz: OS-Plattform.
Diese steht seit dem 15.02.2016 auf folgender Internetpräsenz zur Verfügung:
http://ec.europa.eu/consumers/odr/
Aus Artikel 14 Abs. 1, 2 u. 7 der Verordnung ergeben sich folgende neue Informationspflichten:
(1) In der Union niedergelassene Unternehmer, die Online- Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen, und in der Union niedergelassene Online-Marktplätze stellen auf ihren Websites einen Link zur OS-Plattform ein. Dieser Link muss für Verbraucher leicht zugänglich sein. In der Union niedergelassene Unternehmer, die Online-Kaufverträge oder Online- Dienstleistungsverträge eingehen, geben zudem ihre E-Mail- Adressen an.
(2) In der Union niedergelassene Unternehmer, die Online- Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge eingehen und sich verpflichtet haben oder verpflichtet sind, eine oder mehrere AS-Stellen für die Beilegung von Streitigkeiten mit Verbrauchern zu nutzen, informieren die Verbraucher über die Existenz der OS-Plattform und die Möglichkeit, diese für die Beilegung ihrer Streitigkeiten zu nutzen. Sie stellen auf ihren Websites sowie, falls das Angebot über E-Mail erfolgt, in dieser E-Mail einen Link zu der OS-Plattform ein. Diese Informationen sind gegebenenfalls auch in die allgemeinen Geschäftsbedingungen für Online- Kaufverträge oder Online-Dienstleistungsverträge aufzunehmen.
Auf der OS-Plattform sind nach derzeitigem Stand noch keine Streitbeilegungsstellen in Deutschland benannt. Dies hat den Hintergrund, dass deren Einrichtung erst nach Inkrafttreten des oben vorgstellten Verbraucherstreitbeilgungsgesetzes erfolgen soll. Dass eine Streitbeilegung deutscher Online-Unternehmer über die Plattform mithin noch gar nicht möglich ist, ändert nichts an der diesbezüglichen Hinweispflicht. Diese sollte unbedingt beachtet werden – und sei es nur, um entsprechenden Abmahnungen zu entgehen.