Beitrag von Mathias Fiedler (Vorstandssprecher ZdK) auf dem Fachform des Bundesvereins zur Förderung des Genossenschaftsgedankens e.V (BzFdG) zur Studie vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (BMWi): „Potenziale und Hemmnisse unternehmerischer Aktivitäten in der Rechtsform der Genossenschaft“ am 21. Mai 2015 in Berlin.
Die These des Beitrags lautet:
Es gibt Vorhaben, für die die eingetragene Genossenschaft dem Grunde nach die richtige Rechtsform wäre, für die der Rechtsformaufwand jedoch zu hoch ist.
Welche Rechtsform für das bürgerschaftliche Engagement?
Es gibt immer wieder Projekte / Vorhaben, die mehrere Personen gemeinschaftlich betreiben möchten. Das können ganz unterschiedliche Vorhaben sein. Es muss nicht immer ein Dorfladen sein, es kann zum Beispiel ein Stadtteilladen sein (FoodCoop), eine Kindertagesstätte, eine Schule, ein Schwimmbad, ein Weltladen, eine Energiegenossenschaft …
Dann stellt sich die Frage nach der richtigen Rechtsform für ein solches Vorhaben. Wenn man von Mischformen absieht, die keine direkte Mitbestimmung ermöglichen, dann gibt es folgende Varianten:
- GmbH / UG (haftungsbeschränkt): grundsätzlich geeignet, aber größerer Aufwand bei Gesellschafterwechsel,
- Gesellschaft bürgerlichen Rechts / offene Handelsgesellschaft: ist flexibel, aber es gibt keine Haftungsbeschränkung,
- Aktiengesellschaft: grundsätzlich auch möglich, eine Steuerung, wer Aktionär wird ist schwierig und die Formvorschriften sind recht anspruchsvoll.
Es bleiben drei Varianten, die für solche Vorhaben gut geeignet sind:
Ist der Idealverein geeignet / zulässig?
Welche dieser Formen ist nun für welches Vorhaben geeignet? Der e.V. „nur“ für ideelle Tätigkeiten und die eG und der w.V. auch für wirtschaftliche Tätigkeiten, wobei der w.V. nicht in jedem Bundesland als Alternative möglich ist, da die zuständigen Behörden eine Eintragung ablehnen. Es geht um die Abgrenzung von wirtschaftlichem Geschäftsbetrieb zu nicht wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb. Der Bundesgerichtshof unterscheidet dies wie folgt (BGH VI ZR 262/82 vom 10.7.1984):
Wirtschaftliche Zwecksetzung ist eine … (objektiv) planmäßige auf Dauer angelegte und nach außen gerichtet geschäftliche Tätigkeit, die (subjektiv) auf den Erwerb wirtschaftlicher Vorteile für den Verein selbst oder seine Mitglieder gerichtet ist.
In der Rechtsliteratur und Rechtsprechung von Oberlandesgerichten wird zunehmend eine typologische Betrachtung gewählt (so z.B. Hk-BGB/Dörner § 21 Rn. 4). Danach werden zu den wirtschaftlichen Vereinen solche gezählt, die:
- unternehmerisch tätig sind, indem sie planmäßig und dauerhaft Leistungen gegen Entgelt in einem „äußeren Markt“ anbieten,
- ihren Mitgliedern (in einem „inneren Markt“) planmäßig und entgeltlich dauerhaft Leistungen zur Verfügung stellen oder
- einer „genossenschaftlichen Kooperation“ dienen, indem Unternehmer einen Teil ihrer Tätigkeit ausgliedern und auf einen Verein übertragen.
Viele der Initiativen wären daher als wirtschaftliche Vereine zu klassifizieren, der e.V. wäre nicht möglich. Allerdings gibt es das sogenannte „Nebenzweckprivileg“, das es Vereinen mit nicht wirtschaftlichem Hauptzweck ermöglicht, zur Förderung dieses (ideellen) Zweckes einen wirtschaftlichen Nebenbetrieb zu führen. Das Nebenzweckprivileg ist allerdings nur begrenzt nutzbar. So weist Prof. Dr. Volker Beuthien (emeritierter Prof. der Philips-Universität-Marburg) darauf hin, dass das Nebenzweckprivileg nicht (mehr) greift, wenn es keinen ideellen Hauptzweck gibt (NZG, 2015, 456, 459):
Keinerlei Raum für das Nebenzweckprivileg ist, wenn der Verein seinen Idealzweck ausschließlich mittels einer von seinen Mitgliedern Entgelte einfordernden Einrichtung verwirklicht. Denn dann fehlt es an der Verfolgung eines den Hauptzweck begleitenden Nebenzwecks. (Idealzweckverfolgung mit wirtschaftlichen Mitteln)
Wenn man das für verschiedene der oben genannten Vorhaben durchdenkt, dann stellt man schnell fest, dass der eingetragene Verein dann keine geeignete Rechtsform ist, wenn es keinen ideellen Hauptzweck gibt. Dann bleibt eigentlich als Alternative nur die eingetragene Genossenschaft, wenn die Gründer eine Rechtsform wünschen, bei der:
- es eine Haftungsbeschränkung gibt,
- ein einfacher Ein- und Austritt möglich ist und
- eine direkte Mitbestimmung möglich ist.
Für Kleinstvorhaben mit wenig Umsatz ist die eingetragene Genossenschaft wegen des hohen Rechtsformaufwands aber nicht attraktiv (sonst würde die eingetragene Genossenschaft sehr viel häufiger gewählt werden). Daher besteht, in Anlehnung an die „Mini-GmbH“ – die UG (haftungsbeschränkt) – ein Bedarf an einer Rechtsform für das „kleine“ gemeinschaftliche Wirtschaften.
Was spricht gegen und für eine „unbürokratische“ Rechtsform?
Würde diese Rechtsform ein höheres Insolvenzrisiko bedeuten? Aus unserer Sicht nicht, da der eingetragene Verein ebenfalls eine sehr geringere Insolvenzquote aufweist. In 2014 gab es laut der Insolvenzstatistik des Statistischem Bundesamt bei den „sonstigen Rechtsformen“ 158 Insolvenzen (Link). Zu diesen „sonstigen Rechtsformen“ zählen auch eben auch die eG und der e.V. Wenn man dies mit der Anzahl von ca. 600.000 eingetragenen Vereinen in Deutschland vergleicht, dann ist dies eine sehr niedrige Insolvenzquote.
Das beweist, dass der eingetragene Verein eben keine „strukturelle Kontrollschwäche“ hat, ansonsten würden viele Vereine (die ja eben auch viel Geld bewegen) vermehrt insolvent werden. Die hohe Insolvenzfestigkeit hängt unseres Erachtens mit der Nähe der Mitglieder zu dem Verein zusammen, aber eben auch, dass die Vereine sich in der Regel beraten lassen (häufig freiwillige Begleitung durch einen Steuerberater) oder sie sich häufig (freiwillig) zu Verbänden zusammenschließen. Insofern wird auch in der Wissenschaft ein Handlungsbedarf gesehen. So die Prof. Dr. Matthias Lehmann und Prof. Dr. Susanne Sieker von der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg (ZfgG, 2015, 22):
… das Festhalten an dem historisch gewachsenen System der genossenschaftlichen Pflichtprüfung [lässt] sich für Genossenschaften dieser Größenordnung sachlich kaum noch rechtfertigen …
Auch der Vergleich mit der Pflicht zur Prüfung des Jahresabschlusses bei den Kapitalgesellschaften macht den Handlungsbedarf deutlich. Die Schere geht zu Ungunsten der Genossenschaften immer weiter auf. Insbesondere, wenn die Beträge für die Kapitalgesellschaften durch das geplante BilRUG weiter angepasst werden. Der Abstand würde auch dann noch deutlich bestehen, wenn die Zahlen, wie vom BMJV geplant, bei der eG verdoppelt würden:
Welche Lösungsmöglichkeiten bieten sich an?
Gibt es Alternativen zu einer „neuen“ Rechtsform? Sicherlich sind auch andere Maßnahmen möglich. Weitere (gesetzlich vorgegebenen?) Kostenminimierungen sind allerdings nur schwer realisierbar, weil für kleinere Prüfungsverbände, die kaum große Genossenschaften als Mitglieder haben, eine Absenkung der Beiträge für kleine Genossenschaften (als solidarische Quersubvention) nicht (weiter) möglich ist. Auch ein weiteres Absenken der Prüfungsvorschriften ist eher schwierig.
Bleibt die gesetzliche Reglung:
- im BGB
- Idealverein kann nur begrenzt für wirtschaftliche Zwecke geöffnet werden, für gemeinnützige Betriebe wäre dies unter Umständen eine geeignete Lösung,
- der wirtschaftliche Verein ist nur als Auffanglösung gedacht und soll nicht als dauerhafte Lösung neben der eingetragenen Genossenschaft existieren,
- eigenes Gesetz
- dieses wäre grundsätzlich geeignet, hätte aber den Nachteil, dass die Abgrenzung zur eG schwer wäre: wann diese Form und wann die eG, soll es bei Vorhaben, die bestimmte Kennzahlen überschreiten einen Umwandlungszwang geben, und wenn ja, was hätte das für Folgen (z.B. auch steuerliche?),
- GenG
- hier könnte für einen Kleinstbereich, ähnlich wie bei der „Mini-GmbH“ eine Sonderergelung geschaffen werden, di e Abgrenzung zur eG könnte durch eine deutlich andere Firmierung erfolgen und es gäbe einen leichten Übergang zur eG.
Welche Erleichterungen geschaffen werden (Abschaffung nur der Pflichtprüfung bei Beibehaltung von Pflichtmitgliedschaft und Gründungsprüfung?), welche Größenordnungen möglich sind (Kleinstkapitalgesellschaft nach § 267a HGB oder Buchführungspflicht nach § 141 Abs 1 AO und in welchem Gesetz dies geregelt wird (BGB, GenG oder eigenes Gesetz), das ist noch offen und sollte diskutiert werden. Ein Bedarf besteht aus unserer Sicht auf jeden Fall.
RA Mathias Fiedler
Vorstandssprecher
fiedler@zdk.coop