Der ZdK hat sich 2009 auf dem 15. ordentliche Verbandstag mit den Rahmenbedingungen für Genossenschaften auseinander gesetzt. Der Verbandstag sieht bei den wirtschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen Verbesserungsbedarf und hat einen Beschluss über die Positionen des Verbandes gefasst.
Entwicklung der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen
für neue Genossenschaften
1.
Die Novellierung des Genossenschaftsgesetzes 2006 hat besonders für kleine Genossenschaften deutliche Verbesserungen gebracht, die dazu beigetragen haben, den seit Jahrzehnten bestehenden Trend zur Verringerung der Genossenschaftszahlen zu brechen und in den letzten Jahren zumindest eine leichte Steigerung zu erreichen. Zieht man jedoch zum Vergleich Länder mit einer höheren Genossenschaftsdichte heran, wie insbesondere Italien, Schweden oder die Schweiz, so wird deutlich, dass noch erheblich mehr passieren muss, um einen dynamischen Genossenschaftssektor in Deutschland zu erreichen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Genossenschaft eine herausgehobene verfassungsrechtliche Position genießt. Die Genossenschaft wird in sieben Landesverfassungen ausdrücklich genannt und das Bundesverfassungsgericht geht zutreffend davon aus, dass das Sozialstaatsprinzip in Art. 20 Abs. 1 GG die Förderung der Genossenschaften mit umfasst. Es kann also nicht darum gehen, eine formale Gleichbehandlung der Genossenschaft mit anderen Gesellschaftsformen zu erreichen, insbesondere mit der GmbH und der AG. Vielmehr geht es darum, rechtliche und wirtschaftliche Bedingungen zu schaffen, die die Entwicklung eines kooperativen Sektors in der deutschen Wirtschaft nachhaltig begünstigen. Dies würde dem Artikel 45 der italienischen Verfassung entsprechen, wonach die Genossenschaften mit den geeigneten Mitteln zu fördern sind.
2.
Wenn auch eine Gleichbehandlung mit Kapitalgesellschaften nicht ausreicht, so ist doch eine Benachteiligung der Genossenschaft gegenüber diesen völlig inakzeptabel. Dies gilt insbesondere für die gesetzliche Verpflichtung zur Gründungsprüfung, die weit über die Regelungen bei der AG und der GmbH hinausgehen, selbst dann, wenn die Genossenschaft über ein vergleichbares Mindestkapital verfügt. Dies gilt für die Pflichtmitgliedschaft in Prüfungsverbänden und die Pflichtprüfung bei Genossenschaften, die als Kapitalgesellschaften einer vergleichbaren Größenordnung keinerlei Prüfungspflicht unterliegen und als Unternehmergesellschaft (haftungsbegrenzt) auch kein Mindestkapital aufweisen müssen. Für Genossenschaften, die den Größenmerkmalen des § 267 Abs. 1 HGB entsprechen, ist damit die gesetzliche Prüfung einschließlich der Gründungsprüfung , abzuschaffen, zumindest wenn sie über entsprechendes Mindestkapital verfügen oder wenn, wie bei der Unternehmergesellschaft (haftungsbegrenzt), durch entsprechende Kennzeichnung der Gläubigerschutz gewährleistet ist. Auf die Gründungsprüfung ist zu verzichten, soweit eine vergleichbare GmbH prüfungsfrei wäre.
3.
Die Beseitigung der Pflichtprüfung bedeutet nicht die Abschaffung der Prüfung für kleine Genossenschaften. Sie ist jedoch in der von Hermann Schulze-Delitzsch begründeten Tradition der Selbsthilfe und Selbstverantwortung durch eine freiwillige Prüfung zu ersetzen, eine verlässliche Revision. Der ZdK wird in Zusammenarbeit mit anderen Genossenschaftsverbänden gewährleisten, dass den Genossenschaften, die dies wünschen, kostengünstige und effektive Prüfungsleistungen zu Verfügung gestellt werden.
4.
Entsprechend dem schwedischen Beispiel sind öffentlich finanzierte Beratungsstrukturen mit leicht erreichbaren Büros zur Verfügung zu stellen, die den Interessenten für eine Genossenschaftsgründung das für die Gründung erforderliche rechtliche und wirtschaftliche Wissen vermitteln. Es sind Mittel für die Qualifizierung von Gründungsberatern zur Verfügung zu stellen, die beispielsweise im Rahmen von Gewerkschaften, Kammern und Sozialverbänden tätig werden.
5.
Es sind die rechtlichen und finanziellen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Belegschaften insolventer oder von Insolvenz bedrohter Betriebe diese Betriebe in der Form von Genossenschaften weiterführen können. Die Mittel werden in der Form eines revolvierenden Fonds zur Verfügung gestellt. Die Fondsorganisation erfolgt durch die betreffenden Genossenschaften selbst, wobei zu gewährleisten ist, dass die speziellen Erfahrungen aus der Insolvenzbewältigung an neu betroffene Genossenschaften weitergegeben werden können.
6.
Schließlich sind die Programme zur Gründungsförderung so auszugestalten, dass sie auch für Genossenschaften in Frage kommen. Insbesondere darf die Förderung nicht daran scheitern, dass Vorstandsmitglieder typischerweise nur mit einer geringen Quote am haftenden Kapital der Genossenschaft beteiligt sind, dass die Miteigentümer gleichzeitig Beschäftigte der Genossenschaft und Beschäftigte gleichzeitig Miteigentümer sind.
7.
Die erfolgreiche Entwicklung der Genossenschaften im Kaiserreich und in der Weimarer Republik beruhte zu einem erheblichen Teil darauf, dass ihnen als Finanzierungsquelle Darlehen ihrer Mitglieder zur Verfügung standen, wie dies in Italien noch heute der Fall ist. Diese Finanzierungsmöglichkeit wurde von den Nazis in ihrem Kampf gegen die Konsumgenossenschaften weitgehend beseitigt und nach 1945 nicht wieder hergestellt. Da gerade kleine Genossenschaften oft kaum eine Chance haben, sich über Banken zu finanzieren, ist ihnen dieser historische Finanzierungsweg wieder zu eröffnen, wobei die italienischen Regeln als Muster dienen können.
8.
Die dem Recht der Kapitalgesellschaften entlehnten Haftungsvorschriften sind für die Mit-glieder der Genossenschaftsorgane völlig überzogen, zumindest soweit Aufsichtsrats- und Vorstandstätigkeit ehrenamtlich ausgeübt wird. Bei Genossenschaften ist daher die Haftung der ehrenamtlich tätigen Organmitglieder in gleicher Weise auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken, wie dies kürzlich für Organmitglieder von eingetragenen Vereinen und Stiftungen geschehen ist.
Beschlossen am 24. Oktober 2009 in Bad Mergentheim