In der Nacht vom 29. auf den 30. Juni 2017 hat der Deutsche Bundestag in seiner vorletzten Sitzung das „Gesetz zum Bürokratieabbau und zur Förderung der Transparenz bei Genossenschaften“ beschlossen. Damit setzt der Bundestag kurz vor Ende der Legislaturperiode zwei Vorhaben des Koalitionsvertrages um. Wir begrüßen, dass das Gesetzgebungsverfahren erfolgreich abgeschlossen werden konnte.
Informationen zu dem Beschluss können der Beschlussempfehlung und dem Bericht des Ausschusses für Recht und Verbraucherschutz des Bundestages entnommen werden.
Rechtsform für bürgerschaftliches Engagement
Ursprünglich sah das Gesetz noch eine Regelung zur „Erleichterung unternehmerischer Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement“ vor. In dem Regierungsentwurf war dazu vorgesehen den wirtschaftlichen Verein für kleine bürgerschaftliche Initiativen zu öffnen. Der ZdK hatte diese Reform begrüßt, da damit seine Forderung nach einer unbürokratischen Rechtsform für das „kleine gemeinsame wirtschaften“ umgesetzt worden wäre. Einen Tag nach der Anhörung vor dem Rechtsausschuss des Deutschen Bundestag hat der Bundesgerichtshof eine weitreichende Entscheidung zu den eingetragenen Vereinen veröffentlicht. Dieser Beschluss hatte auf das Gesetzgebungsverfahren einen erheblichen Einfluss: der Rechtsausschuss des Bundestages hat empfohlen, die Änderung des wirtschaftlichen Vereins nicht zu beschließen. Dieser Empfehlung ist der Bundestag heute Nacht gefolgt. In der Begründung heißt es dazu:
Der Ausschuss empfiehlt, die im Entwurf vorgesehenen Regelungen zum wirtschaftlichen Verein zu streichen. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass sich die Perspektiven für unternehmerische Initiativen aus bürgerschaftlichem Engagement mit dem Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 16.05.2017 (Az. II ZB 7/16) grundlegend geändert haben. Mit dem Beschluss wird das sogenannte Nebenzweckprivileg von Idealvereinen gestärkt, indem eine wirtschaftliche Betätigung unabhängig vom Umfang des Geschäftsbetriebes als dem Hauptzweck zu- oder untergeordnet angesehen werden kann. Der Ausschuss ist der Auffassung, dass auf dieser Grundlage unternehmerische Initiativen aus bürgerschaftlichen Engagement als Verein im Sinne von § 21 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eingetragen werden können, sofern bei ihnen der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb einem ideellen Hauptzweck zu- oder untergeordnet ist. Dabei stellt die steuerrechtliche Anerkennung als gemeinnützig zwar ein wichtiges Indiz für die Eintragungsfähigkeit dar. Nach Auffassung des Ausschusses können aber auch regelmäßig nicht als gemeinnützig anerkannte Initiativen wie z. B. Dorfläden, soweit sie einen ideellen Hauptzweck verfolgen und nicht gewinnorientiert und auf Ausschüttung von Gewinnen gerichtet sind, als Idealverein eingetragen werden.
Diese Ansicht wird auch von der Wissenschaft gestützt. So schreibt Prof. Lars Leuschner von der Universität Osnabrück in der Neuen Juristischen Wochenschrift (NJW 2017, 1919, 124):
Obwohl der BGH im Kita-Beschluss maßgeblich auf die steuerliche Gemeinnützigkeit iSd §§ 51 ff. AO abstellt, sind die von ihm entwickelten Grundsätze nicht auf gemeinnützige Vereine beschränkt, sondern kommen auch anderen Vereinen mit nichtwirtschaftlicher Zielsetzung wie zum Beispiel Dorfläden zugute.
Wir werden diese Entscheidung gründlich analysieren und uns mit der Abgrenzung vom eingetragenen Verein und dem wirtschaftlichen Verein zur eingetragenen Genossenschaft beschäftigen.
Reform des Genossenschaftsgesetzes
Auch im Bereich des Genossenschaftsrechts wurden noch Änderungen vorgenommen. Dabei hat der Rechtsausschuss auch aktuelle Diskussionen und Entwicklungen aufgegriffen. Die Änderungen im Genossenschaftsrecht betreffen insbesondere folgende Punkte:
- die Einladung zur Generalversammlung kann jetzt rechtssicher per Mail erfolgen (in Textform), eine Einladung alleine über eine Webseite oder den elektronischen Bundesanzeiger reicht nicht,
- der elektronische Bundesanzeiger kann nun rechtssicher für Bekanntmachungen der Genossenschaft verwendet werden,
- das Stimmrecht investierender Mitglieder kann nun rechtssicher auch vollständig ausgeschlossen werden,
- bei der Mitgliederwerbung wird klargestellt, dass es für die Kenntnisnahme der Satzung ausreicht, wenn diese im Internet abrufbar ist und ausgedruckt werden kann,
- eine Vollmacht zur Unterzeichnung der Beitrittserklärung darf nun (zur Vermeidung von Missbräuchen) nur noch schriftlich erklärt werden,
- in der Beitrittserklärung muss ausdrücklich darauf hingewiesen werden, wenn es neben der Zahlung auf den Geschäftsanteil weitere Zahlungspflichten gibt (z.B. ein Eintrittsgeld) oder die Kündigungsfrist länger als ein Jahr dauert,
- Genossenschaften können nun in einem gewissen Rahmen von ihren Mitgliedern zweckbestimmte Darlehen (ohne eine qualifizierte Nachrangvereinbarung) annehmen, dies tritt neben die „nachrangigen Mitgliederdarlehen“ nach dem Vermögensanlagengesetz,
- bei Genossenschaften mit maximal zwanzig Mitgliedern kann die Satzung vorsehen, dass der Vorstand an die Weisungen der Generalversammlung gebunden ist,
- die Mitgliederliste kann nun weitere Angaben enthalten, etliche Unterlagen können nun früher vernichtet werden und müssen nicht während der gesamten Mitgliedschaft aufbewahrt werden,
- bei der Haftung der Vorstandsmitglieder wird klargestellt, dass die sogenannte Business Judgement Rule auch bei Genossenschaften gilt, also dass eine Haftung dann nicht eintritt, wenn der Vorstand eine bei einer unternehmerischen Entscheidung vernünftigerweise annehmen durfte, auf Grundlage angemessener Informationen zum Wohle der Genossenschaft zu handeln,
- bei Vorstandsmitgliedern, die im Wesentlichen ohne Vergütung arbeiten, wird der Haftungsmaßstab angepasst,
- die Satzung kann vorsehen, dass einzelne Mitglieder das Recht erhalten, Mitglieder in den Aufsichtsrat zu entsenden (zum Beispiel, wenn eine Gemeinde Mitglied der Genossenschaft wird und einen Sitz im Aufsichtsrat erhalten soll),
- in eine Vertreterversammlung können nun auch Vertreter von juristischen Personen oder Personengesellschaften gewählt werden, die nicht gesetzliche Vertreter des Mitglieds sind,
- in die Liste der Vertreter der Genossenschaft können nun statt der Postanschrift auch E-Mail-Adressen aufgenommen werden,
- das Protokoll der Generalversammlung muss nun nur noch von einem anwesenden Vorstandsmitglied unterschrieben werden,
- die Führung der Mitgliederliste wird als ausdrücklicher Prüfungsgegenstand gestrichen (sie wird aber im Rahmen der „ordnungsgemäßen Geschäftsführung“ weiter geprüft),
- die Schwellenwerte für eine vollständige Jahresabschlussprüfung im Rahmen der genossenschaftlichen Pflichtprüfung werden um 50% angehoben,
- es wird für Kleinstgenossenschaften eine vereinfachte Prüfung eingeführt, bei der der Prüfungsverband lediglich Unterlagen prüft, die die Genossenschaft an den Prüfungsverband sendet, diese vereinfachte Prüfung kann bei jeder zweiten Prüfung erfolgen,
- die Genossenschaft muss den Namen des Prüfungsverbandes, durch die Genossenschaft geprüft wird, auf der eigenen Internetseite angeben,
- im Prüfungsbericht hat sich der Prüfungsverband zur Erfüllung des Förderzwecks zu äußern,
- der Tagesordnung zur Behandlung des Prüfungsberichtes auf der Generalversammlung lautet nun Beratung und möglicher Beschlussfassung,
- wenn der Prüfungsverband Anhaltspunkte dafür hat, dass die Genossenschaft keinen zulässigen Förderzweck verfolgt, sondern ein Investmentvermögen im Sinne des Kapitalanlagegesetzbuchs darstellt, ist der Prüfungsverband berechtigt, den Prüfungsbericht ganz oder in Auszügen der Bankenaufsicht zur Verfügung zu stellen,
- die Genossenschaften müssen keine Prüfungsbescheinigung mehr einreichen, stattdessen wird dies direkt von den Prüfungsverbänden im Rahmen der jährlichen Meldung an das Genossenschaftsregister durchgeführt.
Auch wenn wir uns bei der Erhöhung der Schwellenwerte für die vollständige Jahresabschlussprüfung eine weitergehende Entwicklung gewünscht hätten, sind wir mit den Änderungen zufrieden. Wir hoffen, dass die Anpassungen geeignet sind, die kleinen Genossenschaften weiter zu entlasten. Besonders freut uns, dass wir zugunsten des Mitgliederschutzes erreichen konnten, dass eine Einladung alleine über das Einstellen der Einladung auf einer Internetseite oder im elektronischen Bundesanzeiger nicht möglich ist.
Unsere Mitglieder werden wir mit weitergehenden Informationen über die Änderungen informieren. Besonders wichtig sind die neuen Informationspflichten in der Beitrittserklärung und die Angabe des Prüfungsverbandes auf der Internetseite der Genossenschaft. Diese müssen nach dem Inkrafttreten des Gesetzes beachtet werden, damit der Genossenschaft nicht finanzielle Schäden durch Abmahnungen und / oder Anfechtungen von Beitrittserklärungen entstehen.